nd-aktuell.de / 16.12.1994 / Kultur / Seite 10

Naives Spiel in Schinkel-Bildern

HANS JÜRGENSCHAEFER

Mozarts „Zauberflöte“ hatte wieder einmal an der Berliner Lindenoper Premiere. Der Gag dieser Inszenierung: Man rekonstruierte jene Dekorationen, in denen das Werk 1816 im damaligen Königlichen Opernhaus, jetzt Schauspielbzw Konzerthaus am Gendarmenmarkt, in Szene ging. Sie stammten von Karl Friedrich Schinkel, dem bedeutenden Baumeister und Maler. Und sie haben Theatergeschichte gemacht. Die berühmte Sternenkuppel, vor der die Königin der Nacht auf einer Mondsichel herniederschwebt, das runde Dutzend Szenenbilder mit ägyptischen Tempelanlagen, Nilszenen, sphinxgeschmückten Gärten strahlt Harmonie aus. Das humane, aufklärerische Bekenntniswerk, zu dem die Schikanedersche Wiener Komödie durch Mozarts Musik wurde, fand so seine optische Entsprechung.

Aus Schinkels Bühnenbild-Entwürfen, aus den Kostümfigurinen von 1816 schufen Fred Berndt und die Kostümbildnerin Dorothee Uhrmacher jetzt ihre Rekonstruktion. Liebevoll, genau und auch erfindungsreich. Eine Meisterleistung! Das zu sehen, lohnt. Den „Rest“ dieser Neuinszenierung zu betrachten und auch zu hören weit weniger Schade eigentlich, denn seit Felsensteins inszenierter Humanitätsbotschaft der „Zauberflöte“ in den fünfziger Jahren in der Komischen Oper, seit Kupfers Auseinandersetzungen mit dem Werk zumal in Dresden und in Berlin in jüngerer Zeit wäre zu erwarten gewesen, daß die Regie auch im historischen Schinkel-Milieu Position bezieht.

Die Inszenierung besorgte 'hier der umtriebige August Everding. “Er hat schön 1 auf der Berliner Waldbühne für ,-eln naiv-verspieltes „Zauberflöten“-Spektakel im Freien gesorgt. Leider fiel ihm nun, im großen Hause Unter den Linden-, auch nicht viel mehr ein. Die Akteure bewegten sich in

stereotypen Gängen. Garniert wurde das Ganze mit Gags. Aber der Spaß hielt sich in Grenzen. Dem halfen auch die amüsanten Tiere aus den Werkstätten für Kostümplastik des Berliner Ensembles kaum auf: Einhorn, altägyptischer Totenvogel oder Falke, So füllte sich nur die optisch starke, konstruktiv imponierende Schinkel-Szene mit verspielter Idyllik. Man verließ sich offenbar auf die Wirkung der historischen Bilder und genügte so, weder Schinkel noch Mozart.

Die Akteure auf der Bühne hatten es da schwer Eigentlich am erfreulichsten, wie Roman Trekel mit imponierender komödiantischer Ausstrahlung und prächtigem Gesang als Papageno mit seiner sympathischen Papagena-Partnerin Dorothea Röschmann in den Vordergrund rückte. Gesanglich gab es durchaus noch einiges Erfreuliche: Peter Seiffert mit schönem Tenor, Matti Salminen mit profundem Baß haben sich als Tamino und Sarastro schon in der Deutschen Oper bewährt. Der international als Sarastro erfolgreiche Rene Pape aus dem Staatsopernensemble war diesmal - nicht minder imponierend - in der Rolle des Sprechers zu erleben. Eva Mei hatte die Koloraturen der Königin der Nacht im allgemeinen sicher in der Kehle. Mit schlankem Sopran, auffallend berührender darstellerischer Intensität tat sich Janet Williams als Pamina hervor. Auch das übrige Ensemble und der von Ernst Stoy vorbereitete Chor waren musikalisch auf der Höhe.

Daniel Barenboim am Dirigentenpult jedoch hatte wohl zur Premiere nicht seinen besten Tag. Sein Orchester spielte zwar klangschön, -'insgesamt aber zu spannungslos und brav Und manches ging auch durcheinander Schade.

Der Applaus am Ende hielt sich in Grenzen. Dem Regisseur blieben kräftige Buhs nicht erspart.