nd-aktuell.de / 24.05.2004 / Wirtschaft und Umwelt

Wahlbetrug beim Commerz-Betriebsrat?

Vorwurf auch gegen ver.di-Tarifkommission

Marcus Schwarzbach
Eidesstattliche Versicherungen, anonyme Vorwürfe, Polizeirazzia und Ermittlungen der Staatsanwaltschaft: bei der Commerzbank in Frankfurt (Main) gibt es Aufregung um die Betriebsratsspitze.
Wahlbetrug werfen frühere Wahlhelfer Gabi und Alfred Seum vor, die seit Ende der 80er Jahre freigestellte Betriebsratsmitglieder sind. Alfred Seum ist seit 1990 Vorsitzender des Betriebsrates der Frankfurter Commerzbank-Zentrale, seine Frau auch ehrenamtliches Mitglied der bundesweiten Tarifkommission der Gewerkschaft ver.di, und beide sind als engagierte Interessenvertreter der Beschäftigten bekannt. Jetzt werfen namentlich nicht bekannte Zeugen dem Ehepaar vor, bei den Betriebsrats- und den Aufsichtsratswahlen im letzten Jahrzehnt zu Gunsten der eigenen Wahlliste das Ergebnis gefälscht zu haben. Nach der Schließung der Wahllokale seien Wahlurnen manipuliert worden. Auch seien auf den Wählerlisten Namen von Beschäftigten als Wahlteilnehmer abgehakt worden, die nicht gewählt hatten. Die Wahlen, an denen tausende Beschäftigte teilnahmen, fanden mehrere Tage statt. Frau Seum habe erklärt, »dass man in die Stimmabgabe in der Form eingreifen muss, dass man umfangreich Stimmzettel selbst ausfüllt, um den Ausgang der Wahl für den noch amtierenden Betriebsrat zu entscheiden«, erklärte ein Zeuge eidesstattlich. Vorläufiger Höhepunkt: eine Razzia bei der Commerzbank am vergangenen Donnerstag. Über ein Dutzend Beamte der Kriminalpolizei Frankfurt und ein Staatsanwalt durchsuchten die Arbeitsplätze der Seums im Betriebsratsbüro.Auch das Privathaus der Seums in Lahnau wurde von den Polizisten durchkämmt. Gegen Alfred und Gabi Seum werde weiter wegen des Verdachts auf Wahlfälschung ermittelt, betont die Staatsanwaltschaft. Pikant am Rande: Bei Arbeitsgerichtsverfahren beauftragt der Betriebsrat immer wieder die Frankfurter Anwältin Patricia Seum, die Tochter des Betriebsratsvorsitzenden. Diese Verflechtungen wird von Beobachtern kritisiert. Den Wahlbetrugsvorwurf weist die Gewerkschaft ver.di zurück. Gabi Seum genieße das Vertrauen der Organisation, erklärte die Gewerkschaft. Auch Alfred Seum weist jegliche Vorwürfe von sich.