Henryk Berg: Die Aussicht, 1982
Foto: „Scherereien
Viele Handschriften, die einstmals eine unverwechselbar eigenständige Karikaturszene in der DDR prägten, sind heute nur noch sporadisch oder gar nicht mehr sichtbar. Henryk Bergs kritischer Zeitkommentar war zuletzt Anfang der neunziger Jahre in der Tageszeitung NEUE ZEIT auf Karikaturen der zweiten oder dritten Seite aufzuspüren - ehe die Zeitung das Zeitliche segnete und es den Zeichner endgültig aufs Krankenbett warf. Am 20. Februar vollendete sich sein Schicksal, das tödliche Krebsleiden siegte über den inzwischen wehrlosen Körper. Der am 19 Juni 1927 in Bydgoszcz, damals Bromberg, Geborene ist nun nicht mehr
Der Henryk Berg nachtrauernde Zeitgenosse kann nur noch den unlängst erschienenen Sammelband „Von ABM bis zukunftsfroh“ oder den ein Jahrzehnt eher edierten Band „Spitzen“ hernehmen oder Henryks einziges eigenes Buch „Scherereien“ durchblättern, um ihm wieder zu begegnen.
Der Mann, der erst als technischer Zeichner, später als Bildredakteur lernte und reifte, war geprägt von der Aufbauzeit der Nachkriegsjahre: erst Tageszeitung „Vorwärts“, dann Gewerkschaftszeitung „Tribüne“ als Betätigungsfeld. Und daneben und danach die Erfüllung künstlerischer Blütenträume beim Collagieren und Montieren. Am Ende, als
er 1987 sein Buch machte, war er ganz gelöst und fand einige klassische Gestaltungen bis hin zum philosophischen oder erotischen Blatt.
Er hatte im Kunstleben der Hauptstadt als Spiritus rector der „Karigrafie“ genannten Cartoonausstellungen am Fernsehturm zehn Jahre eine
wichtige Rolle gespielt. Wenn die Geschichte der DDR, deren Publizistik und die damit verbundenen künstlerischen Lösungen einmal wirklich objektiv bewertet werden - dann wird eine Gestalt wie Henryk Berg nicht übersehen werden dürfen.
HARALD KRETZSCHMAR
irum wird Heiner Müller manchmal müde? Und dies besonders in der letzten Zeit? Sowas kann verschiedene Gründe haben. Beispielsweise ist der Genuß von Whisky anregend oder einschläfernd - je nachdem; das kommt auf die Menge des Getränks an und auf das Befinden des Trinkers: der Dramatiker mußte sich im Dezember 1994 einer Operation unterziehen, die so lebensgefährlich war wie seine Krankheit. Den Hauptgrund für Müllers Erschöpfung konnte man einem Interview entnehmen, das Frank Raddatz mit dem Schriftsteller für die Zweimonatsschrift „Theater der Zeit“ veranstaltet hat; Auszüge waren am 23. Februar 1995 in der „Berliner Zeitung“ abgedruckt. Der Befrager erwischte den Rekonvaleszenten in Pacific Palisades (Kalifornien) und gesteht beiläufig: „Während ich mich wie ein Affe von Frage zu Frage hangelte, wurden Müllers Pausen länger und länger.“
Der sich hangelnde Affe hatte eine Vielzahl bildungsge-
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/535873.gescheite-scherereien.html