nd-aktuell.de / 01.03.1995 / Sport

Das Ringopfer Gerald McClellan

Boxyerbot für „Vernichtungsmaschinen“ Britische Politiker fordern die Abschaffung

wegen Kieferbruchs und totaler Erschöpfung. McClellan wurde ein Blutklumpen im Gehirn entfernt. „McClellans Zustand bleibt kritisch, ist aber stabil. Seine Lage hat sich gebessert“, erklärte der behandelnde Neurochirurg John Sutcliffe am Dienstag. McClellan mußte 67 Schläge an den Kopf innerhalb von 28 Minuten und 46 Sekunden hinnehmen.

„Die Gesundheit des Menschen geht vor“, meint Profi-Ringrichter Heinrich Mühmert (Dinslaken). Er fordert, daß „Vernichtungsmaschinen“ wie Nigel Benn oder Exweltmeister Joe Frazier (USA) nicht in den Ring gehören. „Ich bin für das ästhetische Boxen“, sagt Mühmert. „Ich breche lieber sofort ab. Ich will nicht an Totschlag beteiligt sein.“ Der IBF-Kampfrichter fordert Reformen zum

Schutz der Aktiven: „Wir müssen auch die Beurteilungsrichtlinien für die Punktrichter überdenken. Ein wichtiges Kriterium ist die Härte der Treffer Das ist antiquiert.“

Unter dem Eindruck des grausamen Endes dieses WM-Titelkampfes fordern mehrere prominente Persönlichkeiten, auch aus der Politik, die gesetzliche Abschaffung des Boxsports. Im britischen Unterhaus empörten sich mehrere Parlamentarier über das schauderhafte Spektakel. Der Abgeordnete der Labour Party, Sam Galbraith, selbst ein Neurochirurg, der sich mit der Forschung der mit dem Boxen verbundenen Verletzungen befaßt hat, wiederholte seine- oft ausgedrückte Forderung nach der „totalen“ Abschaffung dieses Sports.

Der frühere Stellvertreter des Vorsitzenden der Labour Party, Roy Hattersley plädiert für die gesetzliche Abschaffung des Boxens und beklagt: „Das Fernsehen baut in der Werbung die Idee auf, daß sich der Meister und Herausforderer hassen. Das Boxen ist die einzige Sportart, in der der Mann, der seinen Gegner fast tötet, zum Helden erklärt wird.“ Statistiken zufolge sind seit der Einführung der Regeln des Marquis of Queensberry im Jahre 1884, weltweit mindestens 500 Boxer, entweder während des Kampfes, oder als Folge der im Ring erlittenen Verletzungen verstorben.

Im deutschen Berufsboxsport sind zwei Todesopfer aktenkundig: 1957 starb der Dortmunder Karl-Heinz Bick im Anschluß an seiner k.o.-Niederlage in einem Kampf um die Deutsche Leichtgewichts-Meisterschaft in Dortmund gegen Manfred Neuke. Elf Jahre später muß der Kölner Jupp Elze einen EM-Kampf gegen Roberto Duran (Italien) mit dem Leben bezahlen. Er stirbt neun Tage nach dem Kampf bei ihm wurden Aufputschmittel nachgewiesen. (sid/dpa)