nd-aktuell.de / 29.05.2004 / Politik

Edelweiß-Ritual in Mittenwald

Traditionstreffen von Hitlers Gebirgsjägern

René Heilig
Mittenwald, ein Luftkurort im oberen Isartal, ganzjährig nebelfrei, mit Enzian auf den Buckelwiesen und langer Tradition beim Bau von Streich- und Zupfinstrumenten, lädt Besucher ein. Und - siehe Internetseite - bietet ihnen allerlei, denn: »Nur dort sein ist schöner«.
Diesem Spruch können sich ehemalige Gebirgsjäger von Wehrmacht und Bundeswehr leider wieder nicht entziehen. Seit 1952 treffen sich die alten Marschierer und ihre Nachfolger alljährlich, um der gefallenen Kameraden zu gedenken. Und natürlich auch, um verlorene Kämpfe nachträglich am Biertisch zu gewinnen. Der Traditionsverband hat um die 8000 Mitglieder und ist eine der rührigsten und entschlossensten Militaristenvereinigungen in Deutschland. Dabei kann man mit mehr als nur der wohlwollenden Unterstützung bayerischer Politiker rechnen. Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber ist stolz, seinen Grundwehrdienst bei den Gebirgsjägern absolviert und nun die Ehre zu haben, Mitglied im Traditionsverband zu sein.
Unter den Veranstaltungstipps des gastgebenden Ortes sind für den heutigen Samstag ein Kameradschaftsabend im Gasthof Postkeller und für Sonntag eine Gedenkfeier am Ehrenmal »Hoher Brendten« angekündigt. Offenbar vergessen haben die Stadtplaner ein paar Veranstaltungen, die sich ebenfalls mit dem Thema Gebirgsjäger auseinander setzen. Am Sonnabend um 11 Uhr ist eine antifaschistische Demonstration geplant, um 15 Uhr findet eine Veranstaltung »Die Mörder sind unter uns« statt.
Der Titel trifft die pfingstliche Stimmung von Mittenwald exakt. Denn die Edelweiß-Träger, deren militärische Ehre wieder einmal glorifiziert werden soll, haben eine blutige Spur durch Europa gezogen. Gebirgsjäger »kämpften« gegen Frauen, Kinder und wehrlose Männer in Camerino, Fabriano, Rovaniemi, Skines, Lyngiades, Kommeno und Kephallonia. Die Orte liegen in Italien, Finnland und Griechenland. Auch in Frankreich, Jugoslawien, Polen, Albanien und in der Sowjetunion sind Massaker von Hitlers Elite-Truppe belegt.
Dennoch standen die Bundesrepublik und insbesondere deren Militär treu zu den alten Kämpfern. Es dauerte Jahrzehnte, bis man Bundeswehr-Kasernen der Gebirgsjäger - benannt nach deren Nazi-Generalen Dietl und Kübler - umbenannte. Eduard Dietl, der Norwegen überfiel, war als Nationalsozialist der ersten Stunde seinem Führer besonders nah. Ludwig Kübler machte sich einen gefürchteten Namen als »Bandenbekämpfer« auf dem Balkan. Er wurde in Jugoslawien zum Tode verurteilt. Hunderte ihrer Untergebenen mussten in Westdeutschland nicht fürchten, von der Justiz belangt zu werden.
Doch in den vergangenen Jahren wurde der Druck zur Aufklärung bekannter Kriegsverbrechen größer. Journalisten und Antifaschisten trugen die Namen zahlreicher Verdächtiger zusammen. Staatsanwälte mussten ermitteln. Beispielsweise zum 4000fachen Mord an italienischen Soldaten auf der griechischen Insel Kephalonia. Die Staatsanwaltschaft München hat Akten über zwei noch lebende und des Mordes dringend verdächtige Gebirgsjäger auf dem Tisch. Ob und wann Anklage erhoben wird, ist unbekannt.
Inzwischen ist die Bundeswehrführung sensibler geworden, wenn es um alte Kameraden geht. In diesem Jahr wird kein Musikkorps aufgeboten. Jetzt, da auch Bundeswehr-Gebirgsjäger - wie Verteidigungsminister Peter Struck(SPD) sagte - Deutschland am Hindukusch verteidigen, möchte man alle Parallelen zu vergangenen »Auslandseinsätzen« vermeiden.