nd-aktuell.de / 25.04.1995 / Politik / Seite 1

Castor-Abfahrt nach Gorleben

Atommüll-Behälter verließ am Montag das AKW Philippsburg / Massive Proteste

Gorleben/Bonn (ddpADN/Reuter/ND). Der Castor-Behälter mit Atommüll aus dem badischen Atomkraftwerk Philippsburg ist auf dem Weg nach Gorleben. Eine Diesellok der Deutschen Bahn zog den mit einer Plane abgedeckten Behälter, in dem neun hochradioaktive Brennstäbe lagen, am Montag abend aus dem Werksgelände. Kernkraftgegner setzten ihre Aktionen dagegen bundesweit mit Demonstrationen, Bahn- und Straßenblockierungen fort.

Ein großes Polizeiaufgebot sicherte in Philippsburg die Bahngleise ab und hielt die rund 150 Demonstranten vom Bahndamm fern. 66 Demonstranten, die die Gleise blokkieren wollten, waren zuvor in Gewahrsam genommen worden. Die Ankunft im niedersächsischen Dannenberg war für den heutigen Dienstag 10 Uhr vorgesehen. Dort sollte der Atommüll auf einem Sat-

telschlepper zwei Stunden später in das Zwischenlager gebracht werden. Im Fall von Streckenblockaden waren Alternativstrecken auch über Ostdeutschland ausgewählt worden.

Der Atommüll-Transport wurde mit rund 6500 Polizisten gesichert, davon allein 4800 Beamte in Gorleben. An der Bahnlinie Uelzen-Dannenberg sowie der Straße zwi-

schen Dannenberg und dem Zwischenlager Gorleben bezogen Einsatzwagen Position. Beamte suchten nach Sprengsätzen.

Die Polizei hatte am Montag vormittag ein härteres Vorgehen gegen die Atomkraftgegner angekündigt. Das erlassene Versammlungsverbot werde konsequent durchgesetzt, sagte der Gesamteinsatzleiter, Polizeidirektor Ulrich Dautert, in Lüneburg. Blockaden und andere Störungen des Transports würden „schon im Entstehen vereitelt“ Vertreter von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Unabhängiger Wählergemeinschaft aus Lüchow-Dannenberg sowie der Bürgerinitiative Umweltschutz kri-

tisierten das bisherige Vorgehen der Polizei als zum Teil „plan- und ziellos“

Union, FDP und SPD haben ungeachtet dessen am Montag abend in Bonn ihre Gespräche über einen Energiekonsens fortgesetzt. Nach der Einigung über die Kohlepolitik im März standen die Themen Energiesparen und erneuerbare Energien sowie - auf Drängen der Koalition - die Kernenergie im Mittelpunkt. Der SPD-Verhandlungsführer, Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder, nannte den Transport „nicht förderlich“ Er sei aber bereit, über die Atomkraft zu sprechen, „weil ich Ergebnisse will“

(Seiten 4 und 5)