nd-aktuell.de / 25.04.1995 / Politik / Seite 3

und zu seiner Abgrenzung von der „Ära Mitterrand“?

Entscheidend sind die Ergebnisse. Offensichtlich haben die Franzosen gewürdigt, daß Lionel Jospin Wert auf eine seriöse Kampagne gelegt hat, die vielleicht manchmal zu seriös wirkte. Die persönliche Unterstützung durch Frangois Mitterrand wie auch Jospins Distanzierung von bestimmten Aspekten der Bilanz der sozialistischen Regierungszeit ist von den linken Wählern richtig verstanden worden.

Was antworten Sie den Kommunisten, die Ihnen den Aufruf an ihre Wähler zu einer „nützlichen Wahl“ zugunsten von Jospin vorwerfen?

Es ist klar, daß dieser Aufruf die Kommunistische Partei gestört hat, aber was hätten, wir für eine Situation, wenn Lionel Jospin nicht in den zweiten Wahlgang gekommen wäre und sich nur zwei Rechtskandidaten gegenübergestanden hätten! Die Wähler haben das schon richtig verstanden.

Selbst wenn man alle Stimmen der Linken zusammenzählt, reicht es nicht für die Mehrheit. Welche Kräfte wollen Sie noch an sich ziehen?

Das französische Wahlverfahren mit zwei Durchgängen hat seine ganz eigene „Alchimie“ Die rechnerische Summe der Stimmen ist das eine, üblich ist aber auch ein „Gleiten“ von einem Lager ins andere.

Viel hängt von der Kampagne in den nächsten Wochen ab.

Wird Jospin bestimmte Programmpunkte ändern oder andere Schwerpunkte setzen, um mehr Wähler zu finden?

Wir werden bestimmt die Punkte stärker betonen, die den Willen zu echten Veränderungen beweisen. Dies vor allem, weil Chirac von Veränderungen spricht, ohne etwas konkret vorzuschlagen.

Was empfinden Sie angesichts des Zuwachses der extremen Rechten?

Das ist eines der beunruhigendsten Phänomene. Es wird deutlich, daß man sich noch entschiedener für die republikanischen Werte, für sozialen Fortschritt und Brüderlichkeit

einsetzen muß, zu denen sich die Linke bekennt. Man muß aber auch beachten, daß ein Teil der Stimmen für die extreme Rechte ein Aufschrei der Hoffnungslosigkeit, der Revolte gegen die heutige Gesellschaft ist. So haben viele Arbeitslose ihrer Verbitterung Luft gemacht, indem sie für die extreme Rechte gestimmt haben. Es ist an ihnen zu entscheiden, was sie im zweiten Wahlgang tun. Ich denke, zumindest ein Teil von ihnen wird den Wunsch nach Veränderungen durch die Stimmabgabe für Lionel Jospin zum Ausdruck bringen. Das ändert nichts daran, daß wir uns ganz ehschieden gegen Le Pen und seine Thesen wenden.

Fragen: RALF KLINGSIECK