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Käthchen soll als erste den Kahn erobern

Potsdamer Stadt-Spiel-Truppe weiht ihren Theaterkahn mit Kleiststück ein

  • Lesedauer: 3 Min.

Der für alles Unkonventionelle stets zu habende märkische Junker, Offizier und Dichter Heinrich von Kleist (1777-1811) hätte wohl geschmunzelt. Denn sein „Käthchen von Heilbronn“ in einem schwimmenden Theatersaal aufgeführt zu wissen, das wäre sicherlich nach seinem Geschmack gewesen.

Derzeit ist der 1927 in Dienst gestellte Groß-Finow-Maßkahn „Sturmvogel“ noch vor dem Persius-Speicher in Potsdams Brandenburger Vorstadt vertäut. Ein alter Kohlepier bietet dort Raum genug, dem über 50 Meter langen, sechs Meter breiten und mit Mast über 20 Meter hohen Pott den letzten Schliff zu verpassen. Die 30 jungen Frauen und Männer der vor zweieinhalb Jahren zur PotsTausend-Feier gegründeten Stadt-Spiel-Truppe wechseln sich dazu in Zehnergruppen ab. Denn Anfang Mai soll ihre schwimmende Spielstätte in der Alten Havel-

fahrt vor dem Hans-Otto-Theater vor Anker gehen, soll sich der Vorhang an Bord am 19 Mai zur Premiere des Käthchens erstmals heben.

Die Schüler, Studenten, Handwerker, Arbeiter, Angestellten und Künstler zwischen 15 und 35 schwingen von Montag bis Sonntag zwölf bis 14

sowie den Küchen- und Sanitärbereich zu installieren.

Mit dem Lötkolben in der Hand verrohrt Bernd Schmeißer derzeit den Kahn mit Kupfer Der gelernte Automechaniker ist den Potsdamern auch noch als „Müller von Sanssouci“ und „Macky Messer“ bekannt. Das knorrige Original gehörte 1993 zu den Tausendjahrfeierlichkeiten wie der Alte Fritz zum Weinbergschloß. Den Gauner Macky hingegen spielt Bernd seit einem Jahr in Potsdamer Kneipen und Kulturhäusern, wenn die Stadt-Spiel-Truppe ihre „2,9 Groschen-Oper“ gibt. Im „Käthchen“ wird er gleich in drei Rollen brillieren, und beim „Stopuhr-Theater“ und dem Stück „Lila Paloma ll“ geht das Multitalent dazu noch Wilfried Mattukat, dem Berufs-Regisseur und Leiter der Truppe, als Assistent zur Hand. ,

Käthchen, Stopuhr und Lila sind die Neuinszenierungen 1995, die die Laienschauspie-

ler noch so nebenbei zum Schiffsumbau in ihrer Probebühne im alten Babelsberger Rathaus einstudieren. „Ist schon ganz schön happig, das alles auf einmal, räumt Bernd ein, „doch hätten wir uns diese Chance auf eine einmalig originelle Spielstätte entgehen lassen sollen?“ Die Chance bot sich, als im vergangenen Jahr der Berliner Schiffahrtsverein, der museumswürdige Pötte sammelt und betreut, bereit war, die bereits ausgemusterte „Sturmvogel“ für 30 Jahre zu verpachten und Stadt und Land den größten Teil der Umbaukosten von rund 350 000 Mark übernahmen.

Im November 1994 kam dann der Finow-Kahn auf eine Köpenicker Werft, die die Laderäume theatergerecht maßschneiderte. Seit März liegt er am Havelpier vor dem Persius-Speicher, um in wenigen Wochen seinen endgültigen Ruheplatz im historischen Zentrum Potsdams zu finden.

ERNST ESPACH

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