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  • Politik
  • Zur Sache In sächsisch-bayerischer Zukunftskommission:

Beck contra Biedenkopf

  • Lesedauer: 2 Min.

Die Zukunftskommission, die die Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU) und Edmund Stoiber (CSU) ins Leben gerufen haben, soll Richtungweisendes vollbringen. Spannung verspricht vor allem die Mitwirkung des als progressiv eingeschätzten Münchner Soziologieprofessors Ulrich Beck, Autor des Buches „Risikogesellschaft“

Der PDS-Fraktionsvorsitzende im sächsischen Landtag, Peter Porsch, hatte in seiner Haushaltsrede die Zukunftskommission als Bestandteil des Biedenkopfschen Hofstaats beschrieben: Sie werde „sehr weise herausbekommen, was der König zu tun gedenkt und ihm dies dann vorschlagen“ Nun hat Beck als Ko-Autor des gerade erschienenen Buches „Eigenes Leben“ (Verlag C.H. Beck) essayistische Skizzen zu einer biographischen Gesellschaftsanalyse vorgelegt, wie er es nennt.

Neben 56 Menschen bzw Lebensgemeinschaften % aus Ost- und Westdeutschland, deren Biographie und Porträt uns vorgestellt werden, finden sich 14 theoretische Beiträge des Soziologen. Was darin steht, ist keinesfalls auf Harmonie mit „König Kurt“ angelegt. Ja, Biedenkopf wird ausdrücklich mit einer konservativen Position zitiert, von der sich Beck offenkundig distanziert.

„Wir haben eine riesige Kapitalbindung vorgenommen, um die Individualisie-

rung des Wohnens zu ermöglichen“, so ein Biedenkopf-Wort, „und wir haben uns auch sonst enorme Kapitalbindung geleistet, um die Expansion des Individuellen zu ermöglichen.“ Da hört Beck „schon durch, was die Stunde geschlagen hat: Die Philosophie des eigenen Raumes verschlingt Geld, bindet und zerstört Ressourcen...“ Doch Beck verteidigt das „architektonische Gesicht des Demokratisierungsprozesses“, das in Deutschland versuchte „Anrecht auf ein eigenes Zimmer“

Auch die in Biedenkopfs aktuellen „Anmerkungen zur politischen Lage“ formulierte Warnung vor der multikulturellen Gesellschaft, die die Kräfte zur Integration von Ausländern aushöhle, widerspricht Becks Ansatz. Beck kritisiert „das amoklaufende Wort .Asylant'“, ein „neudeutscher Haßbegriff Man müsse „die Menschen nicht, auch nicht in den weiten Räumen der Nation, gegeneinander abschließen, (...) damit sie ihrer selbst bewußt und sicher werden“

Aber „wenn sich eine wachsende Zahl von Menschen von den Verhältnissen überrollt sieht“, drohe der Umschlag in „stumme, brutale Wut“ Die neue Armut bedürfe der „politischen Anwaltschaft“ Biedenkopf ist dieser Anwalt bisher wohl nicht.

MARCEL BRAUMANN, Dresden

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