nd-aktuell.de / 08.06.1995 / Politik / Seite 5

Ein neuer Tonfall aus München

Sudetendeutscher Tag - Zäsur in den Beziehungen zu Tschechien?

Innerhalb der Sudetendeutschen Gruppe hat sich der Adalbert Stifter Verein in der Vergangenheit intensiv für eine deutsch-tschechische Verständigung eingesetzt. Am Rande des 46. Sudetendeutschen Tages in München sprach JÖRN SCHRADER mit dem Geschäftsführer des Vereins, PETER BECHER.

Stellt das Treffen im Hinblick auf eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Deutschen, Tschechen und Sudetendeutschen eine Art Zäsur dar?

Ich habe vor diesem Wochenende das Gefühl gehabt, daß nun eindeutig ein neuer Tonfall angeschlagen worden ist. In dieser Eindeutigkeit war er dann jedoch nicht zu hören. Ich bedaure das sehr, weil ich der Meinung bin, man hätte sehr viele Vorbehalte aus dem Weg räumen können.

Aber es hat sich etwas bewegt. Stoiber zum Beispiel hat klar gesagt, daß die Vertriebenen genauso wie alle anderen

Deutschen die Mitschuld an der NS-Zeit anerkennen müssen. Das ist für mich ein Beitrag zur selbstkritischen Aufarbeitung der Vergangenheit. Und schließlich sind Schritte zur Zusammenarbeit angedeutet worden: Die Einrichtung eines deutsch-tschechischen Jugendwerks etwa oder eines Fonds, dessen Gelder NS-Opfern zugute kommen könnten.

Sind Veranstaltungen dieser Art überhaupt geeignet, einen Versöhnungspro/eß einzuleiten? - ,''-

Es ist schwer, in einer derart emotionalisierten Atmosphäre die Differenzierungen unterzubringen, die jetzt eigentlich nötig wären. Ich habe aber das Gefühl, daß es daneben schon sehr viele Gedanken in Richtung Versöhnung gibt, etwa quer durch alle sudetendeutschen Gruppierungen ein Gremium zu schaffen, das dann Gespräche - nicht Verhandlungen -, aber Gespräche mit

der tschechischen Seite führen könnte.