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Noch kein Grund zur Wasser-Euphorie in Nahost

Nach Dreiergipfel in Bakura erwartet vor allem Jordanien deutsche Hilfe bei Bauten am Jordan Von JULIUS JUST

  • Lesedauer: 3 Min.

Nach dem Dreiergipfel Hussein-Kohl-Rabin in Bakura arfder jordanisch-israelischen Grenze hofft vor allem Jordanien auf einen kräftigen Schwall deutscher Hilfe. Außenminister Abdul Karim Kabariti sagte, der Kanzler habe ihm versprochen, die rund 400 Millionen Dollar jordanischer Schulden gegenüber der Bundesrepublik zu „überprüfen“. Amman erwartet, daß wenigstens ein Teil dieser Summe gestrichen wird.

Bakura, in dessen Umgebung zwei Wasserrückhaltebecken entstehen sollen, gilt als Startsignal für weitere technische und finanzielle Unterstützung. Mitte nächsten Jahres, hofft man in Amman, sollen die technischen Studien zum Wasserprojekt am Zusammenfluß von Jordan und Jarmuk fertig sein. Dann wird Bonn endgültig entscheiden, wieviel Geld es in das Vorhaben pumpt. Nach jetzigen Informationen sollen es im Rahmen der Eu-

ropäischen Union 28 Prozent der auf 400 Millionen Dollar geschätzten Kosten sein.

Die politische Dimension des Plans läßt sich nur erfassen, wenn man einen Blick auf die Geschichte wirft. Gerade der Bau von Staudämmen an Jordan und Jarmuk war ein Tabu der Konfrontationszeit, mitunter sogar ein Kriegsgrund. Mühsam hatte Eric Johnston, der Nahostbeauftragte von USA-Präsident Eisenhower, 1955 eine Quotenregelung aus-

gehandelt. Danach durfte Israel jährlich 375 Millionen Kubikmeter Jordanwasser entnehmen, Jordanien 100 Millionen, Syrien 42 Millionen und Libanon 35 Millionen.

Das Abkommen hielt knapp zehn Jahre. 1964 entbrannte die erste große Wasserkrise. In Israel stand der „National Water Carrier“, eine riesige Rohrleitung vom Jordan zur Negev-Wüste, kurz vor der Vollendung. Die arabischen Anrainer wollten daraufhin die Jordanquellflüsse Banias und Hasbani ableiten. Als die Schachtarbeiten begannen, griff Israels Luftwaffe an.

Seit dem Sechstagekrieg von 1967 hat Israel die Quellen des Jordan auf den Golanhöhen ganz unter seiner Kontrolle. Der Streit konzentrierte sich

fortan auf den Jarmuk, der in Südsyrien entspringt, dann einen Teil der syrisch-jordani-» sehen Grenze bildet und schließlich südlich des Sees Genezareth in den Jordan mündet. Damaskus und Amman verfolgten lange Zeit den Plan, am Mittellauf des Jarmuk den Sadd al-Wahda (Damm der Einheit) zu bauen. Als sie das Projekt Ende der 80er Jahre wieder aus den Schubladen zogen, verweigerte die Weltbank nach einem israelischen Veto jedoch die nötigen Kredite.

Verlierer im Wasserpoker war in erster Linie Jordanien. Zähneknirschend mußten die Politiker in Amman zusehen, wie seine stärkeren Nachbarn Israel und Syrien die Johnston-Quoten weit überzogen. Das Wüstenkönigreich aber ist der

„durstigste Staat in der Region. Ein Jordanier kann nur halb soviel Wasser konsumieren wie ein Israeli oder ein Syrer. Verschärft wird die Situation durch ein hohes Bevölkerungswachstum, verstärkt durch den Massenzustrom von Palästinensern, die nach dem Golfkrieg aus Kuweit übersiedelten.

Vor diesem Hintergrund wird die Ungeduld verständlich, mit der gerade Amman auf den Baubeginn am Jordan wartet. Nicht zuletzt wegen der Aussicht, die Wasserkrise wenigstens halbwegs in den Griff zu bekommen, schloß König Hussein Frieden mit Israel. Gemäß dem Friedensvertrag vom Oktober 1994 wird Israel jährlich 50 Millionen Kubikmeter Wasser nach Jordanien pumpen. Aus gemeinsamen Projekten sollen noch einmal 100 Millionen Kubikmeter auf das Ostufer des Jordan fließen.

Für Euphorie ist es allerdings noch zu früh. Jedes Abkommen in Nahost habe nur dann Bestand, wenn auch Syrien, Libanon und die Palästinenser einbezogen, würden, meinen arabische Beobachter. Damaskus und Beirut waren bisher nicht einmal bereit, an den nach der Madrider Nahostkonferenz von 1991 begonnenen mehrseitigen Wasser-Verhandlungen teilzunehmen. Ihr Argument: Israel solle sich erst aus allen besetzten Gebieten zurückziehen, dann könne auch über Kooperation gesprochen werden.

Ähnlich kompliziert ist der Streit um das Grundwasser des besetzten Westjordanlandes. Die Palästinenser reklamieren es für sich, weil es von Niederschlägen gespeist wird, die über den Höhenzügen zwischen Nablus und Hebron fallen. Die Israelis halten dagegen, dieses Wasser fließe unterirdisch, ohne menschliches Zutun, auf ihr Territorium.

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