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  • Politik
  • „fsk“: „Der Saustall“ von Betrand Tavernier- ein Untergangsstück

Heiter und stoisch Mörder mordend

  • Lesedauer: 2 Min.

Schon 1981, Jahre bevor der amerikanische Romancier Jim Thompson und die Humanismus- und Vernunftkritik der französischen Poststrukturalisten in Europa allgemein bekannt wurden, verfilmte Bertrand Tavernier Thompsons „Pop. 1280“ Tavernier schuf mit „Der Saustall“, seiner Version des Romans, einen der bedeutendsten Filme der 80er Er verlegt die Handlung aus den Südstaaten der USA nach Bourkassa Ourbangui, einem gottverlassenen, staubigen Nest in Französisch-Westafrika am Vorabend des II. Weltkrieges. Phillip Noiret soll als Polizeibeamter Lucien Cordier vor Ort für Ruhe und Ordnung sorgen, was soviel heißt, wie: die Franzosen machen lassen, was sie wollen. Stoisch hat er jahrelang alle Demütigungen durch die betuchten Mitkolonialherren und seine Frau (Stephane Audran) ertragen, versteckte die ihm verbliebene Menschlichkeit unter einem Panzer aus Pragmatismus, Langeweile, Müßiggang und ergötzlichem Schwelgen in Sinnlosigkeit. Doch eines Tages beginnt er mit eben jener Präzision, mit der er den anderen den Narren aufführte, das Kaff von den übelsten Saukerlen zu befreien.

Lucien Cordier beginnt ein Vernichtungspiel zu inszenieren, das wie das Jüngste Gericht über das verruchte Gesindel kommt.

Tavernier malt den klanglosen Untergang, den Verfall eines Reiches und seiner Bewohner in expressiven Bildern, die an Alfred Kubins Visionen erinnern. Das Wort Zynismus hat in dieser Welt keine Bedeutung, weil es hier nichts gibt, was nicht zynisch wäre. Es gibt keinen Grund dafür, warum jemand etwas tut oder nicht tut - er tut es einfach, wie eine Maschine etwas einfach tut, bis man ihr den Stecker herauszieht. Tavernier arbeitet mit Verfremdungen, mit Überspitzungen. Aber seine Film-Welt ist die unsrige reale Welt, und das ist eine nach dem Untergang. Was hier stattfindet, ist nichts weiter als eine zufällige Komödie, in der alle Statisten sind, weil es keinen Spielführer mehr gibt. Hier sind keine Tabus mehr zu verletzten, es sei denn das, heiter und ohne Schuldgefühl zu morden wie Lucien Cordier. Denn den Mord zu kriminalisieren, war die letzte Lebenslüge dieser Gesellschaft. Das zu zeigen ist Taverniers Verdienst und das subversive Potential dieses Films auch in den 90ern. MARIO STUMPFE

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