nd-aktuell.de / 22.07.2004 / Politik

Buschzulage für Hartz-Vollstrecker

West-Beamte werden als zusätzliche Berater im Osten eingesetzt / PDS: »Widerwärtig«

Kurt Stenger
Die Bundesagentur für Arbeit lockt Beamte aus dem Westen mit hohen Prämien nach Ostdeutschland. Diese sollen dort als Berater in Sachen Arbeitslosengeld II tätig werden.
Bei der Bearbeitung der Anträge auf Arbeitslosengeld II kommen in Ostdeutschland zusätzliche Beamte aus dem Westen zum Einsatz. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) wirbt bundesweit bis zu 3000 Beamte der Beschäftigungsgesellschaft der Deutschen Telekom, Vivento, an. 1250 von ihnen sind für den Osten vorgesehen. Da im Osten im Telekom-Bereich nach der Wende kaum Verbeamtungen stattgefunden haben, kommen fast ausschließlich West-Beamte zum Einsatz, die neben dem normalen West-Gehalt mit Zulagen von bis zu 11000 Euro rechnen können. So winkt eine »Sprint-Prämie« von 5000 Euro, wenn sich die Betroffenen binnen einer Woche für ein Stellenangebot entscheiden. Hinzu kommen monatlich 500 Euro für Verpflegung und Fahrtkosten. Frank Weigand, Sprecher der Kommunikationsgewerkschaft DPV, begrüßt, dass es nun eine Perspektive für einen Teil der 10000 Vivento-Beschäftigten gebe, die oft seit Monaten »zu Hause sitzen«. Jedoch könne man ebenso auf die »sehr vielen jungen, hoch qualifizierten« Angestellten von Vivento im Osten zurückgreifen. Dass die BA mit der Telekom den Vertrag geschlossen habe, liege wohl daran, dass der Konzern kürzlich am Aufbau eines neuen EDV-Systems beteiligt war, so Weigand. Die Telekom wolle primär Beamte vermitteln. Sachsens DGB-Chef Hanjo Lucassen vermutet, dass auch die Arbeitsagenturen Beamte bevorzugen - auf diese habe man einen »größeren Zugriff«. Im Freistaat erwartet man 176 Vivento-Mitarbeiter, die ersten seien bereits im Einsatz. Lucassen befürchtet zusätzliche »Spannungen und Aggressionen«, wenn »Frau Maier« vorgeladen werde, weil sie ihren Spargroschen nicht angegeben habe und dann auch noch auf einen womöglich schlecht vorbereiteten Beamten aus dem Westen treffe. Der Gewerkschafter fände es besser, wenn die Arbeitsagenturen örtliche Arbeitsloseninitiativen stärker in die Beratungstätigkeit einbezögen. Ihnen müssten deutlich mehr ABM-Stellen bewilligt werden. Gestern gab es auch erste Reaktionen aus der Politik zu entsprechenden Presseberichten. Scharfe Kritik kam etwa von den Ministerpräsidenten Thüringens und Sachsens, Dieter Althaus und Georg Milbradt (beide CDU). Letzterer bezeichnete die Pläne als »Beleidigung für alle Menschen in Ostdeutschland«. Es zeige, »wie wenig die Bundesregierung die Situation im Osten verstanden« habe. Für den PDS-Bundesgeschäftsführer Rolf Kutzmutz ist die »Neuauflage der Buschzulage widerwärtig«. Sie treibe den sozialen Zynismus von Hartz auf die Spitze. Dagegen verteidigte der SPD-Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner die Zulagen. Die Mitarbeiter führten nur Hilfeleistungen aus, die zusätzlichen Berater würde die Bundesagentur aus den jeweiligen Regionen rekrutieren.