nd-aktuell.de / 28.07.2004 / Brandenburg

Heimlich eroberte der Marderhund die Mark

Tierischer Zuwanderer aus Ostasien hat in Brandenburg einen nahezu idealen Lebensraum gefunden

Kathrin Klinkusch
Er ist so groß wie ein Fuchs und hat ein ähnliches Antlitz wie der Waschbär. Doch anders als die beiden Raubwildarten ist der Marderhund in weiten Kreisen der Bevölkerung völlig unbekannt. Er ist sehr scheu und geht nur nachts auf Beutezug, sagt der Geschäftsführer des Jagdverbandes, Bernd Möller. Still und heimlich, aber mit großem Erfolg hat sich der aus Ostasien stammende Wildhund in der gesamten Mark ausgebreitet. Im Jagdjahr 2002/03 wurden nach Angaben des Verbandes 5484 Marderhunde erlegt - 1000 mehr als ein Jahr zuvor und mehr als doppelt so viele wie noch vor vier Jahren. Der Marderhund habe sich explosionsartig vermehrt, bestätigt der Präsident des Landesumweltamtes, Matthias Freude. Nach seinen Worten wurde der erste dieser tierischen Neubürger in den 60er Jahren in der Uckermark entdeckt. Die Ausbreitung des vermehrungsfreudigen Vierbeiners - acht bis zehn Welpen pro Wurf sind keine Seltenheit - beobachten Jäger und Zoologen mit Sorge. »Er hat sich seinen Lebensraum erschlossen. Wir werden ihn wohl kaum wieder los«, meint Freude. Das Tier sei bereits ein Problem, weil es verschiedene Vogelarten in Ufernähe bedroht. Darüber hinaus verdrängt er den heimischen Fuchs, da er gern dessen Bau bezieht. Im Gegensatz zum wasserscheuen Fuchs isti der Marderhund aber ein guter Schwimmer und hält sich gern im Schilf auf. Dort raubt er dann die Nester von Bodenbrütern aus. Als Japanischer Fuchs galt der Marderhund mit seinem zotteligen grau-braunen Fell vor allem in Russland als beliebter Pelzlieferant. 1928 wurden die ersten Tiere in der Ukraine und bis in die 50er Jahre rund 10000 Tiere in den westlichen Teilen der Sowjetunion ausgesetzt. »Vom Baltikum und dem Raum Kiew aus hat er sich über Polen bis in unsere Region ausgebreitet«, erzählt Freude. Inzwischen hat der auch Enok genannte Wildhund von Brandenburg aus die Bundesrepublik erobert. Dem bis zu zwölf Kilogramm schweren und 80 Zentimeter langen Säugetier fehlen zum einen die natürlichen Feinde wie Wolf oder Luchs. Darüber hinaus ist der Allesfresser äußerst flexibel und anpassungsfähig - neben Eiern und Jungvögeln vertilgt er Mais und Obst, Schnecken, Frösche und Würmer. Laut Freude ist davon auszugehen, dass sich der Marderhund im Laufe seiner Wanderung nach Westen vermutlich von Bakterien und Parasiten befreite, die in seiner Heimat für eine natürliche Auslese sorgten. Mit diesem russischen Einwanderer müssen die Märker wohl künftig leben, da sind sich die Experten einig. Wildtierökologe Jürgen Goretzki von der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft in Eberswalde (Barnim) rechnet auch für die Zukunft mit einem Anstieg der Population. Ein Gesamtkonzept zum Wildtiermanagement sei daher dringend erforderlich. Der Marderhund scheint sich vor allem in der Flussauenlandschaft des Naturparks Unteres Odertal in der Uckermark wohl zu fühlen. In diesem Landkreis wurden im vergangenen Jagdjahr mit 2455 die meisten Tiere zur Strecke gebracht - immer noch zu wenig nach Ansicht der Jäger. Zumal sich der Marderhund auch an Niederwild wie Fasanen, Hasen und Rebhühnern vergreift. Zudem überträgt er Fellerkrankungen auf Jagdhunde, zum Beispiel die Räude. ddp