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Greift General Powell zur Präsidentschaft?

Umfragen geben dem einstigen US-Generalstabschef gute Chancen, aber eine wirkliche Alternative ist er nicht

  • Lesedauer: 3 Min.

Colin Powell - in den Bestsellerlisten und Umfragen steht er schon ganz oben

Foto: Reuter

Von PETER BLOCH, New York

Heißt der nächste Präsident der USA Colin Powell? Umfragen geben dem früheren Generalstabschef durchaus gute Chancen, als erster Schwarzer ins Weiße Haus einzuziehen. Powell selbst hat gerade noch einmal erklärt, er werde bis November entscheiden, ob er 1996 in den Präsidentenwahlkampf geht.

Auf einer Promotion-Tour für seine soeben erschienene Autobiographie wollte der Ex-General auch seine politischen Aussichten prüfen: Er ist fraglos populär. Das Buch verkauft sich sehr gut und brachte dem Autor bisher sechs Millionen Dollar; wohin er kam, standen die Menschen Schlange, um ihn zu sehen. Ihm wird Kompetenz, Disziplin und Führungskraft zugebilligt, die Hautfarbe spielt,,für weiße Wähler dabei käu ja eine Rolle - 70 Prozent haben von Powell eine günstige Meinung, unter Schwarzen liegt die Zustimmungsquote interessanterweise nur bei 50 Prozent.

Bei den Republikanern gibt es nach dem Ausscheiden des kalifornischen Gouverneurs Pete Wilson noch immer neun Anwärter fürs Weiße Haus, der neueste heißt Malcolm Forbes Jr., ist Sohn des Gründers der Zeitschrift Fortune und will 25 Mio Dollar in Wahlpropaganda investieren. Der Partei wäre Powell als Zehnter durchaus willkommen gewesen. Sie hat sich auch um den Parteilosen bemüht. Aber dessen Ansichten wollen bisher nicht so recht zu jenen von Newt Gingrich passen, der die Republikanische Partei beherrscht. Auch

wenn der bekannte schwarze Bürgerrechtler Jesse Jackson, selbst zweimal Präsidentschaftskandidat, erklärte, daß sogar ganz rechte Weiße Powell trauen - der hat sich z. B. für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch und jenes Gesetz ausgesprochen, das Minderheiten und Frauen Arbeitsplätze in Betrieben mit Staatsaufträgen garantiert {Affirmative Action). Er lehnt auch Gebete inj öffentlichen Schuleß alsf Verstoß, mgegen die ^verfassungsmäßige Trennung von Staat und Kirche ab. Der in der Bronx geborene Sohn jamai-, kanischer Einwanderer sieht sich als „sozial fortschrittlicher Konservativer“

Und so gibt es eine Reihe gemäßigter Republikaner, die lieber ihn wählen würden als etwa Senator Dole, bisher der aussichtsreichste Kandidat in der Partei. Powell ist einfach volkstümlicher, und er hätte laut Umfragen auch bessere Chancen gegen Clinton. Eine unabhängige Kandidatur des Ex-Generals wäre vor allem eine Gefahr für die Republikanische Partei, denn sie könnte zuerst ihren Mann Stimmen kosten. Ross Perot, der Milliardär mit politischen Ambitionen, kann sich jedenfalls eine

Persönlichkeit wie Powell als Präsidentschaftskandidaten seiner neugegründeten Partei der Unabhängigkeit vorstellen.

Der erste Schwarze, der amerikanischer Generalstabschef wurde, hat vor allem den Golfkrieg für sein Prestige genutzt, obwohl er die Truppen

gar nicht führte. Er war immer ein äußerst erfolgreicher Bürokrat, mit untadeligem Ruf, nie umstritten. In der Tat gefällt heute vielen Amerikanern die Idee einer Alternative zu den Republikanern und den Demokraten - aber stellt Powell wirklich eine dar? Als Schwarzer ist er zu sehr ein Mann der bestehenden Gesell-

schaft, um der politischen Klasse Angst einzuflößen und das bestehende System als Vertreter eines dritten Weges zu erschüttern. Aber erst einmal muß er ohnehin die gewaltigen Geldmittel für einen Wahlfeldzug organisieren. Beliebtheit genügt in den USA nicht; auch die Kasse fällt schwer in die Waagschale.

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