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  • Politik
  • !!üM:SäcHe;i: Genug erinnert an Krefelder NS-Zeit?

Abserviert

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Die Villa Meerländer in der Krefelder Friedrich-Ebert-Straße beherbergt ein renommiertes Dokumentationszentrum über die Nazi-Zeit, das zugleich Begegnungsstätte ist. Noch. Wenn die CDU-dominierte Stadtverwaltung nicht gestoppt wird, dann dürfte der für Ende Dezember angesetzte Vortrag zum Thema „Kommt der Faschismus wieder?“ wohl auch die letzte Veranstaltung in diesem Haus gewesen sein. Denn der Kulturausschuß des Stadtparlaments hat mit Mehrheit beschlossen, Finanzmittel auch dadurch einzusparen, daß die bis ins Jahr 2019 angemietete Villa Meerländer künftig einer anderen Institution zur Verfügung gestellt und das NS-Dokumentationszentrum vielleicht der Stadtgeschichtlichen Abteilung zugeordnet wird.

Für derlei Aufgaben, also umfassende Dokumentation über Krefeld in der NS-Zeit und gleichzeitig Ort der Begegnung, der Diskussion und Vermittlungsstelle für thematische Stadtführungen, Rundgänge über den alten jüdischen Friedhof und vielerlei mehr sei das Haus des jüdischen Fabrikanten ohnehin nicht geeignet, war zu hören. Die NS-Geschichte, so ein Sprecher, lasse sich vielleicht in einem Bunker besser festmachen.

Der Beschluß, der in der Konsequenz die erste Schließung einer NS-Gedenkstätte in Nordrhein-Westfalen bedeuten würde, war schon vor dieser Beratung gefaßt. Noch zu Beginn der Beratung wurden vom Förderverein der Villa Meer-

länder 2000 und von den örtlichen Jungsozialisten rund 1000 Unterschriften unter Protesterklärungen übergeben. In der Sprache der Gedenkstättenexperten ist die Villa ein „authentischer Ort“ Das Haus gehörte dem Fabrikanten und Seidengroßhändler Richard Meerländer. Von den faschistischen Machthabern wurde er verfolgt, um seinen Betrieb und um sein Haus gebracht. Auf der Transportliste in das KZ Theresienstadt ist sein Name unter der Nummer 1321 aufgeführt. Der 67jährige wurde am 22. September 1942 in Treblinka vergast.

Schon dieser Umstand dürfte das Haus für eine solche Aufgabe, wie sie ihm im November 1991 vom damaligen rot-grünen Rat übertragen wurde, prädestinieren. Nicht weniger bedeutsam ist, daß einige Wände des Hauses von dem Expressionisten Heinrich Campendonk gestaltet worden sind. Der zur Gruppe „Der blaue Reiter“ gehörende Künstler wurde von den Nazis als Professor von der Kunstakademie verjagt, seine Bilder gerieten als „entartet“ in den braunen Bann.

Ehe Meerländer in die faschistischen Fänge geriet, konnte er die Campendonk-Gemälde noch hinter einer Schutzschicht verbergen. Erst 1989 wurden sie wiederentdeckt, zum Teil freigelegt. Der Förderverein desDokumentationszentrums hatte 80 000 DM für eine komplette Freilegung aufgebracht, zögert nun aber angesichts der Pläne, dieses Geld in ein Haus zu stecken, das möglicherweise Sitz der Stadtreinigung sein könnte.

HANS GEORGE

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