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„Neues Guatemala“ steht für Rechte der May as

Erstmals vertritt ein Wahlbündnis auch die indianische Bevölkerungsmehrheit des Landes Von DIRK PESARA

  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn am 12. November in Guatemala gewählt wird, stellt sich erstmals seit Jahrzehnten ein linkes Bündnis zur Wahl, das auch die indianische Bevölkerungsmehrheit repräsentiert - die Demokratische Front Neues Guatemala (FDNG). Dennoch bleibt auf gründliche Demokratisierung und Beendigung des 35jährigen Bürgerkriegs nur vage zu hoffen.

ND-Karte: Wolfgang Wegener

Demonstration von Maya-Frauen in Guatemala-Stadt: Auf den Kreuzen stehen die Namen von Angehörigen, die vom Militär umgebracht wurden Foto: AP/Salinas

Seit dem 1954 vom US-amerikanischen Geheimdienst CIA initiierten Putsch gegen den -gewählten Präsidenten Jacobo Arbenz leidet die Bevölkerung des zentralamerikanischen Landes unter dem Terror der herrschenden Militärs. Die staatliche Repression gegen jede demokratische Opposition und der zu Beginn der 60er Jahre ausgebrochene Bürgerkrieg haben zum Tod von weit über 150 000 Menschen geführt. Daß es der regierenden

Oligarchie an politischer Legitimität fehlt, war zwar bei den Abstimmungen der Vergangenheit deutlich geworden: Die Wahlbeteiligung lag bei rund 20 Prozent, die indianische Bevölkerungsmehrheit blieb von demokratischer Mitbestimmung weitgehend ausgeschlossen. Zu einer internationalen Ächtung des Regimes war es jedoch nie gekommen.

Der auch durch die Aktivitäten der 1992 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichne-

ten Guatemaltekin Rigoberta Menchü erzeugte internationale Druck hat indes zu einer politischen Öffnung geführt. Die Demokratische Front Neues Guatemala entstand durch Zusammenschluß von Menschenrechts-, Maya- und Studentenorganisationen, Gewerkschaften und zwei kleinen Parteien. Die hohen Erwartungen, die in sie gesetzt werden, spiegeln sich nicht nur im Aufruf der im mexikanischen Exil lebenden Rigoberta Menchü wider, an den bevorstehenden Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen teilzunehmen. Auch die indianische Guerilla Nationale Revolutionäre Einheit Guatemalas (URNG) hat zum ersten Mal nicht zum Wahlboykott

aufgerufen, sondern für die Zeit vom 1. bis 13. November einen einseitigen Waffenstillstand verkündet. Die Guerilla erhofft sich durch ein gutes Wahlergebnis für die FDNG auch eine Stärkung ihrer Position bei den unter Vermittlung der UNO in Mexiko stattfindenden Friedensgesprächen.

Allerdings ist ein Wahlsieg der FDNG aufgrund des Medienmonopols der Rechten und der vor allem auf dem Land weiterhin ausgeübten Repression durch Militär und Todesschwadronen höchst unwahrscheinlich. Hoffnungen auf die Präsidentschaft macht sich neben der Republikanischen Front (FRG) des Ex-Diktators Rios Montt und einer von deutscher FDP, SPD und CDU unterstützten Allianz aus .Liberalen, Sozial- und Christdemokraten vor allem die für Unternehmerinteressen eintretende Partei des Nationalen Fortschritts (PAN). Jedoch ist die FDNG die einzige Liste, die eine politische Beteiligung der Maya-Bevölkerung anstrebt. Ihre Basis bildet die für indianische Mitbestimmung eintretende Union Nukuj Akpop (Regierungsversuch), in der 107 Maya-Organisationen vereint sind. Juan Leon Alvarado, Führungsmitglied von Nukuj Akpop, kandidiert für das Amt des Vizepräsidenten. Dank seiner Tätigkeit in UNO-Kommissionen für Menschenrechte und Minderheitenschutz in Genf und New York genießt er auch im Ausland Ansehen

Angeführt wird die FDNG vom Präsidentschaftskandidaten Jorge Gonzalez del Valle. Der Ökonom, ehemaliger Direktor der „Banco de Guatemala“ und Mitarbeiter des Internationalenwährungsfonds IWF, brach 1982 mit der Diktatur und gilt als kompetenter, glaubwürdiger Reformer. Die Schwerpunkte seines Regierungskonzeptes bilden neben der Stärkung indianischer Rechte und der Einführung des zweisprachigen Unterrichts an Schulen vor allem die Auflösung der paramilitärischen Gruppen und eine umfassende Agrarreform.

Unabhängig vom Wahlausgang ist durch die politische Mobilisierung der indianischen Bevölkerung schon jetzt ein Transformationsprozeß angelaufen, der unumkehrbar scheint. Doch belegen andauernde Menschenrechtsverletzungen durch das Militär, zuletzt - am 5. Oktober - das Massaker an zehn unbewaffneten Bauern in Chisec, daß die Herrschenden eine Beschneidung ihrer Macht mit allen Mitteln zu verhindern suchen.

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