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Türkei: Nicht alles was Gold ist, glänzt

Bewohner Pergamons befürchten die Zerstörung ihrer Heimat und ökonomischen Existenz durch Goldtagebau

  • Lesedauer: 3 Min.

Von WOLFGANG POMREHN

Der historischen Region Pergamon (heute Bergama) an der türkischen Ägäis-Küste droht eine Umweltkatastrophe. Unternehmen mit deutscher Beteiligung planen den Abbau von goldhaltigen Erzen im großen Stil. Bürgermeister aus der uralten Kulturlandschaft befinden sich derzeit auf einer Rundreise durch die BRD, um sich über Biosphärenreservate zu informieren und die deutsche Öffentlichkeit auf die drohende Zerstörung ihrer Heimat aufmerksam zu machen.

Landwirtschaft und Tourismus bilden die Grundlage der Wirtschaft an der türkischen Edremitbucht. In der Saison strömen Hunderttausende Besucher herbei, angelockt von der landschaftlichen Schönheit und den Ruinen in Assos, Pergamon und Troja. Damit könnte bald Schluß sein. Bergbauunternehmen wollen aus der Region ein türkisches Klondike machen. Riesige Löcher sollen in die Erde gerissen, ganze

Berge abgetragen werden. Sechs Tonnen Gestein müssen bewegt werden, um an ein Gramm Gold zu kommen, so Petra Sauerland von der internationalen Menschenrechtsorganisation FIAN (Food First Information & Action Network). Zu den Narben in der Landschaft werden also riesige Abraumhalden und enorme Staubentwicklung kommen.

Was das für die Landwirtschaft bedeutet, läßt sich leicht

ermessen. Und auch der Tourismus wird leiden. Aber Staub und Landschaftzerstörung sind nicht das einzige. Hochgiftige Laugen sollen das Gold vom Erz trennen. In den geplanten sechs Gruben an der Edremitbucht will man Natriumzyanid verwenden. Für die Rückstände dieses Verfahrens, zyanidverseuchte Schlämme, sind offene Becken geplant. Aus denen wird es nach und nach als Blausäure in die Atmosphäre verdunsten. Schon wenige Kilogramm Zyanid würden ausreichen, eine Kleinstadt zu vergiften. Für den Abbau an der Edremitbucht werden aber 8000 Tonnen nötig sein. Geplanter Lieferant: die deutsche Firma Degussa.

Umweltschützer befürchten, daß die Becken nicht ausrei-

chend gegen Überflutung durch starke Regenfälle abgesichert wären. Auch sehen sie die Gefahr, daß die Abdichtung gegen den Untergrund beschädigt werden und Gift ins Grundwasser gelangen könnte. FIAN und der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) machen darauf aufmerksam, daß die Gutachten, die die Schürfunternehmen Eurogold und Tüprag eingeholt haben, diese Fragen ausklammern.

Kein Wunder also, daß die Bevölkerung sich wehrt, denn nicht einmal langfristige Arbeitsplätze werden ihr geboten. Pro Grube werden nur einige hundert Beschäftigte - zumeist Spezialisten - benötigt, und die Ausbeute wird schon nach acht bis zwölf Jahren abgeschlossen sein. Zurück bleibt eine zerstörte Region.

Auch der Profit des Raubbaus wird nicht vor Ort bleiben, da sich hinter Eurogold und Tüprag zumeist ausländische Firmen verbergen. Aus Deutschland ist die Preussag beteiligt, und auch die Dresdner Bank hat das Vorhaben ursprünglich mit Kapital versorgen wollen. Allerdings nahm sie davon jetzt Abstand.

In der Türkei setzt die betroffene Bevölkerung inzwischen darauf, die Region von der UNESCO als Biosphärenreservat ausweisen zu lassen. Vorsorglich haben die türkischen Bürgermeister schon mal einen Asylantrag für die 300 000 Einwohner ihrer Gemeinden in dem Land gestellt, in dem die Nutznießer des Goldraub(bau)s sitzen - in Deutschland.

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