nd-aktuell.de / 02.11.1995 / Kultur / Seite 12

Geschnitzt oder angestrichen

Das Kunstforum der Bank Austria hat eine ausgesprochen glückliche Hand mit originellen Ausstellungsideen und Expositionen ohne Überladung, mit exzellenter Hängung, hervorragender Ausleuchtung und knappen instruktiven Texttafeln. Das beweist auch die derzeitige Schau, die den Rahmen zum Bild in den Mittelpunkt stellt. Und so strömen auch Kinder und Jugendliche zu einem Aha-Erlebnis, das der erwachsene Besucher mit ihnen teilt. Denn wer denkt schon daran, daß ein Bild erst durch und mit seinem Rahmen lebt? Kunstgeschichtliche Darstellungen und Analysen gehen oft genug nur vom Bild aus und beachten seinen Rahmen kaum. Bilder in ihrem Originalrahmen sind wegen deren scheinbarer Zweitrangigkeit auch außerordentlich selten. Aber für van Gogh, mit einem beeindruckenden Beispiel vertreten, war ein Bild ohne Rahmen erst „im Rohzustand“ Und wer denkt daran, daß van

Gogh und Gauguin einen Rahmen „aus vierfach einfachen Holzlatten, auf den Keilrahmen genagelt und angestrichen“ entwickelten, wie er noch heute häufig benutzt wird?

Die ausgestellten 70 exemplarischen Werke aus der Zeit von 1860 bis 1930, u.a. von Makart, Böcklin, Pissarro, Degas, Seurat, Klee, Kandinsky, Picasso geben die Entwicklung vom Prunkrahmen über die als Gesamtkunstwerk aufgefaßten Bilder von Klimt bis zu den rahmenlosen Bild-Objekten von Malewitsch, dessen „schwarzes Quadrat auf weißem Grund“ gezeigt wird, das er „die nackte ungerahmte Ikone meiner Zeit“ nannte, bis zu dem vom Bild unabhängigen Rahmen als „autonomer Gegenstand“ bei Salvador Dalis „Paar mit dem Kopf voller Wolken“

Die ausgestellten Bilderrahmen sind oft von den Künstlern selbst entworfen worden und in verschiedener Weise gestaltet oder bemalt; wenn auch die

meisten nicht wie Nolde Dekorationsschnitzer gewesen waren, was in seinem dunkel übermalten und mit bäuerlichem Schnitzwerk versehenen Rahmen zu seinen „Slowenen“ deutlich wird. Wie gesagt, die Ausstellung ist reichhaltig und gleichzeitig gut überschaubar und zu überraschenden Vergleichen anregend: wie der zwischen Edvard Munchs Rahmengestaltung seines Bildes „Metabolismus“ (1899) und Hans Thomas „Adam und Eva“ (1897) mit symbolistisch gemalten, das Bildsujet verstärkendem Rahmen.

Der prächtige Katalog mit Zusatzband enthält Abbildungen zusätzlicher Werke und vertieft so die in der Ausstellung gewonnenen Eindrücke und Erkenntnisse.

GERHARD HOLTZ-BAUMERT

Bank Austria Kunstforum Wien, Freyung 8. Bild + Rahmen der Moderne. Bis 19 November, Mo-So 10-18, Mi bis 21 Uhr Katalog und Zusatzband öS 390.