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  • Kultur
  • „King George - ein Königreich für mehr Verstand“ von Nicholas Hytner

Bis in den Nachttopf hinein

  • Lesedauer: 3 Min.

Nicholas Hytner hat mit seinem Debüt, eine, wenn man so will, burleske Tragödie mit zwiespältigem Happy-End vorgelegt. „King George - ein Königreich für mehr Verstand“ so der ausgestellt launige deutsche Titel von „The Madness of King George“ - gibt sich zum einen als Hofgemälde mit satirischer Grundierung und dringt ins Intimste, bis in den royalen Nachttopf vor. Könige sind auch nur Menschen. So ein Film schmeckt den Engländern.

Ein King wie George III. ist also nicht nur mächtiges Landes- sondern auch gepiesacktes Familienoberhaupt. Bevor die ganze Sippe im Laufschritt durch die Palastgänge rauscht, als käme sie zu spät zu Omas Geburtstag, und King George nebenbei den aufbegehrenden; i

verfettenden Sohn drastisch zur Raison bringt, vollzieht sich eine ebenso feierliche wie ironisch entweihte Ankleidezeremonie. Ein Kammerdiener spuckt auf die Krone, wienert mit dem Ärmel drüber, dann kriegt George die Spuckekrone aufgesetzt.

Zum anderen erzählt Hytner die unglaublich berührende Geschichte eines Mannes, eines mächtigen Mannes, der verrückt und wieder Mensch wird und Entmündigung wie Gesundung als brachiales Ereignis erlebt. Was geschieht diesem lauten, robusten König, diesem familiären Patron? Eben noch hatte er den im Stehen ausharrenden Hof bis zur Bewußtlosigkeit mit seiner kindischen Freude an einem Glokkfenspiel““malträtiert, da erwischt- ihn -eine Kolik, und bla*

sierte Ärzte halten ihn fortan umklammert. Der Verlust der amerikanischen Kolonien trifft den rechthaberischen George hart, er hat Schwierigkeiten mit der Wirklichkeit. Dies, seine - völlig normalen - Gemütsschwankungen, das Temperament des alten, unkomplizierten Knaben, Etikettenverstöße - ein gefundenes Fressen für seine Feinde am Hof und im Parlament. Denn drittens ist Hytners Film auch ein Intrigenfilm mit raschelnden Kostümen und konspirierenden Perückenträgern. Alles übrigens prächtig fotografiert, detailfreudig und sinnlich erzählt

Ohne Nigel Hawthorne in der Rolle des Königs jedoch wäre dieser Film wahrschein-%s, wa*s er ist. Wann i je Erbarmen mit ei-«

nem König gehabt? Hawthorne ist erst jovialer, sturer, lebensfroher Herrscher, mit Bauernschläue und gesundem Menschenverstand. Dann nur noch ein armes, altes Gesicht, traurige Nase, empfindsame Augen. Gewindelt, weinend, stumm, wenn ein Diener Hallo-Georgyboy sagt. Ein bärtiger, verwahrloster Greis, dann der Lear, der „in die Kindheit zurückgefallene Vater“, der plötzlich neue Würde gewinnt. Und der den entscheidenden Machtkampf mit seinem unbarmherzigen Heiler austrägt. Einem strengen Doktor, ein Therapiete.rrorist. Der schnallt ihn auf einen Stuhl, bandagiert ihm den Mund, bezwingt ihn, bis George ihn bezwingt und wieder ganz der altq ist.^,,,

?~- --- ERNSTtWMÜML.

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