nd-aktuell.de / 16.11.1995 / Politik / Seite 5

Total kompliziert

„Für mich ist das eine total komplizierte Debatte“, gestand Ralf Fücks, ein auf Bundesebene im Ansehen geschrumpfter Linker unter den Bremer Grünen, der aber noch immer ein Streiter der offenen Worte ist. „Total kompliziert“ ist für den Bündnisgrünen die Bündnisfrage der Bundesrepublik in Sachen Ex-Jugoslawien. Dort hat er einen „ethnischen Krieg“ und „faschistoide Gewalt“ ausgemacht. Und sagt: „Es muß die Möglichkeiten geben, Völkerrecht und Menschenrecht militärisch zu verteidigen, wenn alle anderen Mittel versagen.“

Gleichermaßen vehement bekannte sich Fücks „gegen Militarismus“ und „zur Resistance“. Ort der Debatte: Das Gustav-Heinemann-Bürgerhaus in Bremen; weitere Diskussionsteilnehmer auf dem Podium: Zwei Vertreter von Friedens-Initiativen, ein Hauptmann der Bundeswehr und Gregor Gysi, Vorsitzender der PDS-Gruppe im Bundestag. Nicht vertreten: CDU und SPD. Sie hatten die Einladung zur Debatte um „Militärische Einsätze der Bundeswehr im Ausland - Ende der Nachkriegszeit?“ ausgeschlagen.

Die Vertreter einer Politik konsequenter militärischer Nicht-Einmischung trugen ihre Positionen - grundsätzliches Nein zu kriegerischer Konfliktlösung, grundsätzliches Umdenken, um von der verbreiteten Logik wegzukommen, Krieg sei die Fortsetzung der Politik, wenn alle anderen Lösungsansätze gescheitert seien - mehr brav als engagiert vor und erhielten ebenso brav den Beifall des Auditoriums.

Aber ihr Engagement trat in den Hintergrund, beherrscht wurde die Szene durch den verbalen Schlagabtausch zwischen Fücks und Gysi.

Dem PDS-Mann diente dabei der Offizier als Stichwortgeber. Als der Hauptmann, 1986 zur Verteidigung der Bundesrepublik vereidigt, zum wiederholten Maße versicherte, er sei auch lieber zu Hause bei seiner Frau, statt im Ausland sein Leben zu riskieren, warf Gysi ein: „Wer ist denn nun solidarisch mit der Bundeswehr - der CDU-Abgeordnete, der Sie zum Militäreinsatz ins Ausland schickt, oder der PDS-Abgeordnete, der sagt, Sie sollen zu Hause bleiben?“

In jedem Falle anders als der grüne Fücks, dem das alles so kompliziert ist, sieht Gysi den Grund für das Engagement der NATO und des Westens, also auch der Bundeswehr, auf dem Balkan. Hier werden, so seüie Sicht, Großmachtinteressen vertreten und durchgesetzt. Denn „der ganze Krieg hätte so nicht stattfinden können, wenn sich die westliche Welt einig gewesen wäre, ihn nicht stattfinden zu lassen“ Embargos, wirtschaftliche wie militärische, seien nicht konsequent durchgehalten worden. Und „bis heute hätte es Möglichkeiten gegeben, und es gibt sie immer noch, diesen Krieg mit anderen Mitteln zu beenden“

Ohne Zweifel sei das Ende der Nachkriegszeit erreicht - das aber nicht etwa mit den Auslandseinsätzen der Bundeswehr, sondern mit der Vereinigung von BRD und DDR 1990. Großmacht sei die Bundesrepublik auch schon vor 1990 gewesen -„aber vielleicht nicht ganz so groß wie seither, wo wir dazugekommen sind“

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