nd-aktuell.de / 16.11.1995 / Politik / Seite 5

Neuer Auftritt fiir Faust in Leipzig

Wer kassiert in „Auerbachs Keller“? / Konkurs der berühmten Gaststätte vorerst aufgeschoben Von THOMAS BISKUPEK. Leipzig

Die Querelen um Deutschlands berühmteste Gaststätte „Auerbachs Keller“ in Leipzig halten an: Nachdem das Restaurant im September überraschend geschlossen wurde und Umbauten begannen, hatte die Betreibergesellschaft Konkurs angemeldet. Dagegen wehrten sich die 69 Mitarbeiter.

Der berühmte Weinkeller in Leipzig war 1530 zunächst als Lager für Messegüter eingerichtet worden

Foto: dpa

Anfang dieser Woche brachte eine erneute Beratung zwischen Gewerkschaft, Vertretern der Auerbachs Keller Betriebs GmbH und dem eingesetzten Sequester, dem Rechtsanwalt Michael Frege, lediglich einen Aufschub. Frege bezeichnet das als eine Art Moratorium, bei dem versucht werden soll, zwischen Belegschaft, Schuldnern und Stadt eine Regelung zu erreichen. Welcher Art Regelung da möglich ist, bleibt unklar. Wenn das Betreiberunternehmen kein Geld mehr hat, bringt so ein Aufschub nichts. Die Stadt kann und wird nicht für Management-Fehler einstehen.

Das es solche Fehler gab, liegt auf der Hand, war doch sofort nach der ersten Schließung die Entlassung von 40 Mitarbeitern angekündigt worden. Fachleute halten auch die Beschäftigung von drei Geschäftsführern in einem Unternehmen dieser Größe für überzogen.

Insider weisen Gerüchte zurück, die Betreiber seien an zu hohen Mietforderungen des Besitzers gescheitert. „Auerbachs Keller“ war nachweislich ständig gut besucht. Der einzige genau lokalisierte Handlungsort in Goethes berühmtesten Drama könne durch schlechte Betriebsführung nicht ruiniert werden, meinen Leipzigs Wirte. Zahlreiche Firmen mieteten die Räume der Vorzeigegaststätte. Fremdenführer der Stadt be-

stätigen, daß fast alle Gäste den Keller besuchen wollen, in dem Fausts Faßritt stattgefunden habe. Die Bestellbücher waren noch zum Zeitpunkt der Schließung gefüllt.

Experten bezweifeln die offiziellen Konkurs-Begründun-

gen. Es sei nicht genau herauszufinden, wer hinter der Betreibergesellschaft steckt. Vermutet werden müsse, daß die Gewinne abgeflossen seien. Leipzigs Intimkenner der Szene, Dr. Ralph Kausch, Referent der IHK, hofft auf baldige Offenlegung der tatsächlichen Besitzverhältnisse, um zu erfahren, wer in der Gaststätte wirklich kassierte.

Rechtsanwalt Frege gibt dem Moratorium wenig Chancen. Es hänge davon ab, ob der Be-

treiber vertraglich irgendwelche Rechte habe. Die Vermieterin - die Mädler KG -, die das gesamte Objekt aus dem Schneider-Konkurs erworben hatte, bestritt gegenüber Frege irgendwelche noch nicht bekannten Verträge mit der Betriebs GmbH. Der Sequester hält deshalb ein Abwenden des Konkurses für „eher unwahrscheinlich“

Für die Belegschaft sieht die Lage nicht gut aus. Zwar versucht die Gewerkschaft NGG,

irgendwelche Sozialpläne auszuhandeln, aber klar ist auch, daß kein neuer Betreiber die Gaststätte übernimmt, wenn sie mit Altlasten behaftet ist. Berater empfahlen deshalb den Mitarbeitern schon immer, sich einerseits um neue Jobs zu kümmern, und andererseits zu bewerben, wenn der berühmte Keller neue Betreiber findet. Daß es sich immer um eine wirtschaftliche Goldgrube handeln wird, daran läßt niemand einen Zweifel.