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Im Wettlauf ums Kaspi-Ol vorerst ein totes Rennen

Abtransport über Rußland und Türkei / „Jahrhundertvertrag“ sichert Aserbaidshan 80 Prozent des Gewinns

  • Lesedauer: 3 Min.

Von THOMAS RUTTIG

Der Run aufs Öl unter dem Kaspischen Meer endete vorerst im toten Rennen. Kürzlich entschied das „Internationale Konsortium zur Nutzung der Ölfelder Aserbaidshans“ (AI-OC), das schwarze Gold durch zwei Pipelines naöh Europa zu holen. Eine führt von Baku über Grosny zum russischen Schwarzmeerhafen Noworossijsk, die andere soll Georgien und die Osttürkei unter Umgehung des kurdischen Aufstandsgebiets durchqueren, muß allerdings noch teilweise verlegt werden.

Hinter dem 1994 gegründeten AIOC stehen unter anderen einige Große der Branche wie BP, Amoco und Exxon sowie der russische Quasi-Monopolist Lukoil. Gegen die Investition von 7,5 Milliarden US-Dol-

lar haben sie sich die Ausbeutungsrechte für drei Offshore-Felder im Kaspischen Meer gesichert. Durch Rußland und den georgischen Teilabschnitt, bei dem noch 140 Kilometer Rohre fehlen, wird zunächst bis zum Jahreswechsel 1996/97 das sogenannte frühe Öl gepumpt, etwa 80 000 Barrel pro Tag. Wenn die Felder ganz erschlossen sind, wird das Zehnfache erwartet.

Vor dem Kompromiß hatten die Konkurrenten Rußland und die Türkei darum gebuhlt, jeweils allein den Zuschlag für den Öltransport zu bekommen. Die Transitgebühren sind eine wichtige Einnahmequelle, aber auch strategische Erwägungen sind im Spiel. Rußland will die aus UdSSR-Zeiten übernommene Schlüsselstellung beim Transport des kaukasischen

und mittelasiatischen Öls und Gases behalten, die Türkei will diese Position gern übernehmen. Deshalb sperrte sie bereits im letzten Jahr russischen Tankern „aus ökologischen Gründen“ die Bosporus-Durchfahrt. Moskau konterte damit, daß es mit Ankaras Erzfeind Griechenland sowie Bulgarien den Bau einer Pipeline zwischen Burgas und Südthrakien vereinbarte, um die Blockade zu umgehen. Auch mehrere Putschversuche in Aserbaidshan und der Karabach-Konflikt werden mit dem Kaspi-Öl in Verbindung gebracht.

Um diese gefährliche Rivalität zu entschärfen, entschieden sich die acht westlichen AIOC-Mitglieder dafür, sowohl Rußland als auch der Türkei einen Teil vom Kuchen zu geben. US-Druck hatte schon zuvor dafür gesorgt, daß Aserbaidshans

Präsident Alijew einen für Iran reservierten Aktienanteil an eine türkische Gesellschaft vergab. Teheran schloß dafür im Juli mit Turkmenistan ein Abkommen über den Bau einer Gasleitung an den Persischen Golf. Es geht also um mehr als Aserbaidshan. Denn hinter dem Kaukasus warten die Ölquellen Kasachstans und die Erdgasfelder Turkmenistans auf den Anschluß an das neue euroasiatische Pipeline-Netz. Auch hier hat sich schon alles, was im Westen Rang und Namen hat, Konzessionen gesichert. Die dort vermuteten Lagerstätten könnten dem Umfang nach der arabischen Ölregion Konkurrenz machen.

Doch auch der Streit ums Kaspi-Öl ist noch nicht ausgestanden. Gegenwärtig geht es zwischen Moskau und Ankara um die durch die jeweiligen

Leitungen zu transportierenden Mengen. Langfristig dürfte Ankara besser -abschneiden, weil einerseits die bei AIOC tonangebenden US-Multis die modernere Türkei-Route favorisieren, andererseits die russische Pipeline mit einem Zehntel der erwarteten Gesamtproduktion eine zu geringe Kapazität besitzt.

Für Aserbaidshan schließt sich ein Kreis. Bereits vor Gründung der Sowjetunion hatte es hier einen Ölboom gegeben, und danach sorgten die Ölfelder vor Baku dafür, daß westliche Staaten während des Bürgerkrieges in den 20er Jahren in der Region intervenierten. Mit seinen 80 Prozent des Gewinns aus dem „Jahrhundertabkommen“ mit AIOC will Baku seine wiedererrungene Unabhängigkeit festigen.

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