nd-aktuell.de / 17.11.1995 / Politik / Seite 3

„Ich hoffe jetzt auf gute Sacharbeit

Die SPD hat einen neuen Vorsitzenden. Was erhoffen Sie sich von dieser Wahl?

Wir haben eine klare Entscheidung. Jetzt muß Schluß sein mit den Personaldebatten. Ich hoffe jetzt auf gute Sacharbeit in der Partei und in der Bundestagsfraktion. Zusammen mit den SPD-Ministerpräsidenten muß es nun gelingen, eine Alternative zu der verhängnisvollen Politik der Bundesregierung darzustellen.

Sie haben gesagt, die SPD sollte im Bundestag hin und wieder die Stimmen der PDS benutzen, um die Koalition in Schwierigkeiten zu bringen. Als bekannt wurde, daß Oskar Lafontaine sich mit Gregor Gysi treffen will, erklärte der SPD-Bundesgeschäftsführer, damit solle die PDS kleingehalten werden. Was ist nach Ihrer Meinung normaler Umgang mit der PDS?

Ich habe ja klar gemacht, daß ich es als Fehler betrachte, die PDS-Wähler auszugrenzen, weil sie dann nicht uns wählen, sondern noch stärker aus einer Trotzhaltung heraus PDS. Die PDS ist für mich kein Koalitionspartner Aber ich muß sie wahr-

nehmen, und wenn ich mich mit ihren Wählern auseinandersetze, muß ich mich auch mit der Partei und ihrer Programmatik auseinandersetzen.

Woher rühren denn die Unsicherheiten in der SPD beim Umgang mit der PDS?

Die SED war Realität in der DDR, und sie war dafür verantwortlich, daß die Sozialdemokraten mit der Kommunistischen Partei zwangsvereinigt wurden. Von daher ist 'die Abwehrhaltung gegenüber der PDS sehr verständlich. Aber inzwischen gibt es ja Versuche, zu sehen, wo ehemalige SED-Mitglieder sich gewandelt haben, wo die PDS sich auf demokratische Positionen zubewegt, die wir nicht verlassen werden. Und da es in den neuen Bundesländern auf der Ebene Landräte und Bürgermeister eine ganze Menge CDU-PDS-Koalitionen gibt, denke ich, daß auch die CDU davon überzeugt sein muß, daß sich die PDS in diesen Bereichen anders darstellt als die SED früher.

Sie haben auf dem Parteitag hier gesagt, daß die SPD oft Themen hinterherläuft, die von den Konservativen vorgegeben werden, daß sie nur selten selbst in die Offensive kommt. Woran liegt das?

Ich habe mich darüber geärgert, daß beispielsweise Herr Pieroth, Herr Bergner, Herr von Weizsäcker, alles ehrenhafte Menschen, ganz offen dafür plädiert haben, un-

befangen mit der PDS umzugehen, während wir offensichtlich zum Teil Berührungsäng-'ste haben. Das war ein Beispiel von vielen, wo ich der Meinung bin, wir hätten agieren statt reagieren können. Wir haben zu lange gewartet, das Loch im Bundeshaushalt anzuprangern. Aber vielleicht trägt zu unseren Problemen auch bei, daß nicht alles so schnell in der Zeitung erscheint, was in der Partei aufgegriffen wird. Und teilweise hatte ich das Gefühl, wir waren zu sehr mit uns selbst beschäftigt und haben deshalb zu spät bemerkt, daß die CDU wieder etwas anschiebt. Aber so stimmig, wie oft behauptet wird, ist das Bild von CDU und FDP ja auch nicht. Letztes Beispiel, Gott sei Dank, war die Ausladung des iranischen Außenministers. Wobei ich da noch nicht sicher bin, ob die PDS aus taktischen Gründen mitgemacht hat oder aus Überzeugung.

Das gesamte Problem Aufbau Ost ist auf diesem Parteitag ziemlich an den Rand geraten.

Wir hatten es ja anders vorgesehen. Aber wir sind in Zeitverzug geraten, und deshalb wurde das Ostthema wie auch ein anderes wichtiges Thema nicht in einem gesonderten Forum behandelt, sondern in den normalen Parteitagsablauf integriert.

Eine Unterschätzung der Ostproblematik sehen Sie nicht?

Nein.