nd-aktuell.de / 17.11.1995 / Kultur / Seite 9

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Wöhlcke ließ 32 Obstbäume des Pächters Heinz Bobach fällen. Er ließ die Kläranlage verstopfen, die Garage eines Rentnerehepaares mit schwerer Technik zusammenschieben. Stinkende Buttersäurebomben wurden gegen Witteks Haus geschleudert. Ja, es gab Anschläge auf Leib und Leben von Dorfbewohnern. Seit einem Jahr ist das Wasser in dem Gemeindehaus, in dem auch die Arztsprechstunden stattfinden, abgesperrt. Etwa 100 Strafanzeigen und Gerichtsverfahren beschäftigen den standfesten Passeer Bürgermeister und die Gemeindevertretung. Der Kreistag ließ Wöhlcke „aus Sorge um den inneren Frieden im Kreis“ zur „unerwünschten Person“ erklären.

Das alles ist in dem Buch „Der Krieg in Passee“ beschrieben. Michael Schmidt, ein mit hintergründigem Humor ausgestatteter „Schreiber und Sprecher“, hat die turbulenten Geschehnisse dokumentarisch wiedergegeben. Doch hinter jedem Satz sieht man das verschmitzte Gesicht des Autors, sein Augenzwinkern. Ihm ist bei allem Ernst der Sache nie v dör ! Witz aäsge-'

gangen. Lachen unter Tränen gewissermaßen.

In keinem Satz hat sich Schmidt in die Gefahr begeben, die überrumpelten Mecklenburger als eine Art Deppen darzustellen. Sie werden uns als ernsthafte und rechtschaffene Bürger vorgestellt. Da kommt einem nirgendwo ein Klischee entgegen, weder in der Charakterisierung, noch in der Wortwahl. Aber eben Wortwitz: wenn beispielsweise vom „marktwirtschaftlichen Subbotnik“ die Rede ist. Oder als Wöhlcke die Kläranlage sperrte: „Ebbe oder Flut? In Passee war ein Makler Herr der Gezeiten.“

Inzwischen ist es um den Eigentumsstreit in Passee ruhiger geworden. Die juristischen Mühlen mahlen langsam. „Wir haben alles gewonnen und nichts erreicht,“ resümiert Regina Wittek ein bißchen resigniert. Dennoch tut sich was im Dorf. Michael Schmidt sieht im Epilog seines Buches in die Zukunft: In Passee wird Witteks Traum verwirklicht - sanfter Tourismus. Die Leute kommen in Scharen, um im Tierpark „Alpenrindern, Haflingern und pommerschen Ziegen das Fell zu grabbeln.“

Und da wird's wieder ganz real. Der 40 Hektar große Tierschutzpark für vom Aussterben bedrohte Haustierrassen in Passee nimmt Gestalt an, berichtet Projektleiterin Sieglinde Schuster. Der Massivstall wird zum Schaustall ausgebaut. Allem 15 ABM-Kräfte sind bei alledem tätig. Inzwischen fühlen sich 16 Tiere - Pferde und Rinder - im Schutzpark heimisch. Schon kann man sich zu Führungen anmelden. Später werden Kabinette für Schulungen und Konferenzen eingerichtet. Am 1. Juni nächsten Jahres soll der Park eröffnet werden. „Jetzt lag das Dorf mitten in Deutschland.“

Michael Schmidt: „Der Krieg in Passee“, Weymann/Bauer Verlag Rostock, 160 Seiten,

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