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Prozeß gegen SED-Politbüro ohne Richter Bräutigam Nun völlig unbefangen?

  • Lesedauer: 2 Min.

Hansgeorg Bräutigam, der ehrgeizige Vorsitzende der 27. Großen Strafkammer des Berliner Landgerichts, darf nicht über die des Totschlags angeklagten sechs Mitglieder des letzten SED-Politbüros richten. Das ist gut so. Denn Bräutigams „unbedingter Verurteilungswille“, wie die Schabowski-Anwälte formulierten, war unübersehbar. Schließlich hatte er schon im Juni 1993 öffentlich deutlich gemacht, daß er dem Politbüro die Schuld für die Opfer des Grenzregimes zuweist. Da ist Besorgnis der Befangenheit allemal begründet, was auch die drei zuständigen Richter fanden.

Kann damit der Prozeß unbefangen stattfinden? Wohl kaum. Denn die Verteidigung hatte außerdem den Eröffnungsbeschluß gerügt. Auch dort gibt es For-

mulierungen, die so wirken, als sei das Gericht schon vor der Beweisaufnahme von der strafrechtlichen Verantwortung der Angeklagten für Tote und Verletzte an den DDR-Grenzen überzeugt. Zwei der drei Richter, die den Eröffnungsbeschluß unterschrieben, bleiben ja im Prozeß. Sie werden hoffentlich besonders sorgfältig prüfen, ob die Vorwürfe stimmen, das SED-Politbüro habe „Willensherrschaft über die namens des Staates geschehenen Tötungshandlungen an der Grenze“ besessen, die Angeklagten hätten Mauertote billigend in Kauf genommen.

Ohnehin bleibt das Dilemma, daß zuerst zahlreiche Grenzer der DDR wegen Totschlag angeklagt und zum großen Teil rechtskräftig verurteilt sind. Das setzt die Richter im Politbüro-Prozeß - zumindest objektiv - unter politischen Erwartungsdruck.

CLAUS DÜMDE

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