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Freundschaften, die an U-Bahnen zerbrechen

  • Wolfgang Rex
  • Lesedauer: 3 Min.

In Bonn hatte in dieser Woche der an dieser Stelle oft zitierte Pfarrer Hintze alle Worte voll zu tun, die SPD von einem Treffen mit Gysi abzuhalten, weil, so der amtierende Generalsekretär der CDU, mit Kommunisten redet man nicht. Nun ist vöri Gysi zwar beTcaünfTda'ß er den Ruf, ein Komniunist zu sein, von sich weist. Aber Schema ist an allen Redefronten Schema.

Während der Pfarrer in Bonn eiferte und eiferte, übertrugen die Fernsehsender, wie sich der Kanzler in Peking besorgt nach den Rängen seiner Gesprächspartner erkundigte. Wie einst Walter Ulbricht („Sie sind hier der Arbeiter, ja?“) fixierte Kohl seine uniformierten Gegenüber und erläuterte: „Sie, der mit den Klappen, Sie sind der Hauptmann, ja?“ Die chinesischen Freunde nickten dankbar, selbst wenn der Hauptmann gar kein Hauptmann war. Sie hatten sich alle

Mühe gegeben, potemkinsche Küchen aufzubauen, die von Gemüse schier überquollen und in denen einzig das barbarische Zerschneiden von Teig zu Nudeln an militärische Handlungen erinnerte. Die Majore und vermutlich auch höhere Chargen stellten sich .dankbar in. Reihe ,auf und winkten dem'deutschen Kanzler mindestens ebenso.

Was suchte der Kanzler in China? Vor 14 Tagen hatte er im Bundestag gesagt, er fahre mit den Führungsetagen der Wirtschaft dorthin und wolle einen Zukunftsmarkt sichern. Daß er dort auch gute Freunde treffen wollte, mußte Kohl nicht extra erklären. Einer dieser guten Freunde trägt den Titel „Shanghaier Parteisekretär der Kommunistischen Partei“. Shanghai braucht eine U-Bahn, und bundesdeutsche Unternehmen würden sie bauen. Den Freund Parteisekretär hatte Kohl bereits in Bonn

empfangen und ein Versprechen erhalten: U-Bahnbau.

In China stellte sich das als Pekinger Ente heraus. Die Chinesen, wie alle Geschäftsleute, prüften die Angebote und wählten dasjenige aus, das sie für das bes ( te hielten. Darüber platzte eine^BMtsfrfeundschäft erst ' einmal. ? -Womöglich braucht Shanghai demnächst einen neuen Flughafen oder ein paar hundert Kilometer Betonbahnen für die Autos. Da werden sich der kommunistische Parteisekretär und der bundesdeutsche Kommunistenfresser gern an alte Freundschaften erinnern. Geschäft bleibt Geschäft. Auch bei den Militärs, durch deren Küchen Kohl sich aß. Nein, sagten die bundesdeutschen Händler, wir wollen doch keine Waffen nach China exportieren. Waffen wurden auch nicht nach Iran, Irak, Indonesien oder Libyen exportiert, bis sie eben dort vor Ort entdeckt wurden.

Waffen für China wären nicht allein Geschäft. Solche Waffen könnten dafür sorgen, daß der himmlische Frieden vielleicht nicht bis in alle Ewigkeit, aber doch über eine gewisse Zeit hinaus gesichert werden kann.

.fcs. gibt ScQuidkömplexei SPD wurde die holsteinische Ministerpräsidentin Heide' Simonis heftig gescholten, nur weil sie gesagt hatte, sie könne nicht erkennen, daß der Kaiser Kleider trüge. Dafür muß sich die Dame seit drei Wochen unentwegt entschuldigen. In Mannheim leitete sie am Donnerstag den SPD-Parteitag während der schwierigen Wahlen. Irgendwann gegen Abend sollte ein Ergebnis verkündet werden. Der Bote mit den Zahlen war aber nicht aufzutreiben und wurde emsig gesucht. Frau Simonis über dessen Verschwinden: „Ich bin nicht eine Sekunde von hier

oben weggewesen, ich kann es nicht gewesen sein.“

Wer Staatsparteitage von SED oder der Kohl-CDU erlebt hat,

freut sich über jedes Zeichen, wo Maschinerie aus dem Rhythmus gerät. Bei der SPD in Mannheim wurde ein Antrag, die Spekulationsgewinne zu bekämpfen, nicht angenommen. Als Trostpflaster

überwiesen ihn die Delegierten „mit großer Sympathie“ in die Grundsatzkommission der Partei. Die erste Überweisung aus Sympathie.

WOLFGANG REX

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