nd-aktuell.de / 18.11.1995 / Kommentare / Seite 13

Ein Versuch über Nation und Emanzipation

FRANZ SCHANDL

Karikatur: Rainer Hachfeld

Krieg und seinem bedeutendsten Surrogat, dem Leistungssport unter der jeweiligen Nationalflagge und Nationalhymne. Nicht zufällig heißen die Staatsmannschaften Nationalmannschaften, die Staatsliga Nationalliga und die Staatsmeisterschaften Nationalmeisterschaften.

Was für die Nation gilt, gilt selbstverständlich auch für das Volk. Ein Volk ist eine Bevölkerung zu einer bestimmten Zeit in einem begrenzten Raum unter einer dezidierten Herrschaft. Das Volk ist nur als Staat herstellbar, bzw als eine Gruppe, die einen Staat haben will, vorstellbar. Die allgemeine Ideologie eines Volkes ist die Verkündigung seiner Besonderheit. „Jede nationale Gemeinschaft mußte zu irgendeinem Zeitpunkt als ein .auserwähltes Volk' dargestellt

zur Vergangenheit, nicht zur Zukunft. Wer heute meint, den abgeschmackten Kanon „Wir sind ein Volk!“ mitsingen zu müssen, hat wenig verstanden von den sich abzeichnenden gesellschaftlichen Entwicklungen. Ein abstrakter und enthistorisierter, also positiv affirmierter Volksbegriff ist daher letztendlich völkisch.

Was ist das nun eigentlich, ein Deutscher? - Nichts anderes als ein deutscher Staatsbürger oder einer, der es werden will. Der ansässige Sproß eines chinesischen Vaters und einer nigerianischen Mutter ist ein „reinrassiger“ Deutscher. Alles andere ist rassistischer Quatsch. Das Wesen des Deutschen liegt in der Staatsbürgerschaft, so sehr die äußere Erscheinung auch abweichen mag. Deutsche sind jene, die im Staatsgebiet herumvölkern,

ihn da ganz unabsichtlich genetisch kreierten. Der biologistische Rassismus blamiert sich also schon an seinen Exemplaren.