nd-aktuell.de / 18.11.1995 / Politik / Seite 15

Mehr als ein freches Bubenstück

Gezielt gingen auch die Räuber vor, die in die Synagoge von Drohobytsch einbrachen: Sie stahlen Glühlampen, den Stromzähler, Schriften, religiöse Gegenstände, brachen den...Tresor-.,mit.. Spendengeld auf und schmierten SATANA auf eine Tür - Indiz dafür, daß der Vandalismus der 13jährigen Täter mehr als ein freches Bubenstück war. Die Entschuldigungen gingen ihnen allzu leicht von den Lippen als hätten sie im Auftrag anderer gehandelt.

In der Stadt, einstmals durch Salz- und Erdölgewinnung wohlhabend geworden, lebte Bruno Schulz, ein bekannter polnischer Schriftsteller Seine Büste, eine Spende aus Israel,

steht eingeschlossen im pädagogischen Institut, wo Schulz als Zeichen- und Handwerkslehrer wirkte. Keine Tafel an der Stelle, wo er 1943 von einem SS-Mann erschossen wurde. Weitab von seinem Wohnhaus ist eine Gasse nach Bruno Schulz benannt. In deren Sichtweite steht eine der früher 20 Synagogen von Drohobytsch. Aus dem Inneren dringen Schreie. Kampfsportler üben.

Mit Schulz wie überhaupt mit Zeugen und Zeugnissen polnischer Kultur tut sich der junge ukrainische Staat auf der Suche nach seiner Identität schwer. Die Erforschung der Geschichte bleibt das Hobby einzelner. „Wäre Schulz Ukrainer gewesen, hätte er längst den seiner Bedeutung angemessenen Platz in der Stadt“, hört man aus dem Rathaus.