Versicherungen kneifen

Prozess um Schadensersatz für ein Djerba-Opfer begann

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Versicherungen haben Angst vor Terror. Darum streichen immer mehr Gesellschaften die Terror-Passagen aus ihren Verträgen.
Als im April 2002 Bustouristen die jüdische Synagoge La Ghriba in Djerba besichtigten, ließen Terroristen davor einen Tankwagen explodieren. 14 deutsche Urlauber starben, 17 wurden verletzt, darunter auch ein damals dreijähriger Junge. Inzwischen hat das Opfer den Reiseveranstalter TUI auf Schmerzensgeld verklagt. Gestern begann der Prozess vor dem Landgericht Hannover.
»Allein die Tatsache der Schädigung begründet keine Ersatzansprüche«, verteidigt sich TUI. Aus Sicht des weltgrößten Reisekonzerns und seines Versicherers gehört ein Terroranschlag seit dem 11. September 2001 assekuranztechnisch zum »allgemeinen Lebensrisiko«. Und dieses haben die Kunden eben selbst zu tragen.
Um auf Nummer Sicher zu gehen, ändern jedoch immer mehr Rückversicherungsgesellschaften ihre Vertragsbedingungen. So wollen Europas Marktführer ab Januar 2005 Terror-Risiken im Luftverkehr ausschließen. Grund: »Sie sind unkalkulierbar geworden«, heißt es bei der Münchener Rück.
Auf dem Rückzug befinden sich auch Reiseversicherer. Zwar wirbt Mastercard für seine Produkte mit dem Slogan »Genießen Sie den Mastercard-Reiseschutz«. Aber mit dem Genuss kann es schnell vorbei sein, wenn Terroristen zuschlagen. Um wenigstens selbst auf Nummer Sicher zu gehen, hat der Finanzdienstleister seine Geschäftsbedingungen geändert, was den verärgerten Mastercard-Kunden im Nachhinein per Post mitgeteilt wurde. Der Axa-Konzern, der hinter der Reiseversicherung von Mastercard steht, beruhigt, nur bei einem Anschlag mit A-, B- oder C-Waffen gebe es kein Geld. Dagegen sprechen Verbraucherexperten von einem Gummiparagrafen.
Reiserücktrittversicherungen passen aber schon traditionell bei Terror, Krieg und inneren Unruhen. Zwar können Betroffene dann die Reise abbrechen, aber die Mehrkosten der Rückfahrt zahlen Veranstalter und Urlauber zu je 50 Prozent, sonstige Mehrkosten trägt der Urlauber sogar ganz (§ 651j BGB). »In der Praxis«, so das »Versicherungsjournal«, »zeigen sich die Veranstalter aber meist kulanter.«
In jedem Fall lohnt ein Blick ins Kleingedruckte des Vertrages. Haftungs- und Sachrisiken seien über die »Allgemeinen Versicherungsbedingungen« gegen Terrorismus meist abgedeckt, heißt es beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin. Für Altverträge dürfte dies stimmen, aber es zeichnet sich ein Trend ab, bei neuen Abschlüssen das Terror-Risiko auszuschließen. Dies betrifft besonders Unfallversicherungen, den Schutz gegen Berufsunfähigkeit und Lebensversicherungen: Mehrere Unternehmen - darunter sollen sich die Großanbieter Axa, Allianz und Neue Leben befinden - wollen für Todesfälle, an denen Terroristen schuld sind, nicht mehr gerade stehen.
In der europäischen Luftfahrtbranche wird bereits laut über staatliche Garantien nachgedacht, um den Ausfall des Versicherungsschutzes abzudecken. Schon kurz nach der Explosion von Djerba hatte die Bundesregierung einen Fonds für die Opfer von Terroranschlägen eingerichtet. Auch der heute fünfjährige Kläger soll daraus Geld erhalten haben. Ob der Reiseveranstalter und seine Versicherung so billig davonkommen, entscheiden nun die Richter.


Extremus - Die seit 2002 arbeitende Extremus AG, ein Kind des Assekuranz-Verbands GDV, ist eine Versicherung gegen große Sachschäden nach Terroranschlägen. Zu diesem Zweck hat die Versicherungsbranche eine Rückversicherungskapazität von insgesamt 3 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Sollte diese Schadenssumme überschritten werden, haftet der Staat mit bis zu 10 Milliarden. Die Maximalentschädigung im Einzelfall beträgt 1,5 Milliarden Euro. hape
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