Ex-Militärs proben den Aufstand

Hafenstadt besetzt - Haitis Regierung hilflos gegen bewaffnete Gruppen

  • Hans-Ulrich Dillmann, Santo Domingo
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.

Mit der Besetzung der Stadt Petit Goave gehen die Ex-Militärs in die Offensive gegen Haitis Interimsregierung von Gérard Latortue. Ihr Ziel: die Wiedereinführung der Armee.

Ihre Macht ist unbestritten. Um ihrer Forderung nach Soldnachzahlungen Nachdruck zu verleihen, haben etwa 100 schwer bewaffnete Ex-Militärs die haitianische Hafenstadt Petit Goave unter ihre Kontrolle gebracht. Die zwölf Polizisten des Reviers hätten die Stadt verlassen, ohne Widerstand zu leisten, meldete der Rundfunksender »Radio Metropole« in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince. Seine Gruppe kämpfe für die »Wiedereinführung einer Armee«, zitierte »Radio Metropole« den Chef der Hundertschaft aus aufständischen Ex-Armeeangehörigen, Ravix Rémissainte. »Wir haben die Stadt übernommen, um die Sicherheit der Bevölkerung zu garantieren«, sagte der Feldwebel. Eine in der 30000 Einwohner zählenden Stadt stationierte Einheit der UNO-Blauhelmtruppe MINUSTRAH habe sich aus der 70 Kilometer südwestlich von Port-au-Prince gelegenen Stadt zurückgezogen, weil die Bevölkerung die aufständischen Ex-Militärs unterstütze, bestätigte der Sprecher von MINUSTRAH, Toussaint Kongo-Doudou. Rémissainte rief die Angehörigen der früheren »Forces Armées d'Haïti« im ganzen Land auf, am kommenden 18.November für die Wiedereinführung der Armee und die Zahlung des Soldes für die vergangenen zehn Jahre zu fordern. Die haitianische Armee mit ihren rund 20000 Mitgliedern war 1995 auf Initiative des Ex-Präsidenten Jean-Bertrand Aristide aufgelöst worden, nachdem Mitglieder der bewaffneten Streitkräfte immer wieder in Umsturzversuche gegen ihn verwickelt waren. Der 18.November erinnert an den historischen Sieg des haitianischen Sklaven gegen die französischen Kolonialtruppen im Jahre 1803. Das Datum gilt den ehemaligen haitianischen Soldaten und Nationalisten als die Geburtsstunde der »Forces Armées d'Haïti«. Bereits Ende Juli hatten ehemalige Armeeangehörige, die entscheidenden Anteil am Sturz des haitianischen Präsidenten Aristide hatten, den Interimsregierungschef Gérard Latortue aufgefordert, ihnen ihren Sold nachzuzahlen und ein Ultimatum bis zum 10.August gesetzt. Latortue ließ die Frist verstreichen und bezeichnete die Forderung der Ex-Militärs als »absurd«. Schließlich hätten sie in den letzten zehn Jahren »keine Leistung« erbracht. Die Regierung wolle allerdings, so Latortue, den Demobilisierten »eine Chance geben, wieder Arbeit zu finden und Teil der Nation zu werden.« Latortue würdigte die ehemaligen Armeeangehörigen und Mitglieder der Rebellenarmee um Guy Philippe als »Freiheitskämpfer«, die den Sturz des »undemokratisch regierenden« Aristides geschafft hätten. Die Entscheidung über die Wiedereinführung einer haitianischen Armee werde jedoch nicht während seiner Übergangsregentschaft gefällt. Dies werde in die Amtsperiode der neuen Regierung fallen, die im kommenden Jahr gewählt und dann am 7.Februar des Jahres 2006 vereidigt werden soll, sagte Latortue. Mit der Besetzungsaktion hat sich die Auseinandersetzung um die Entwaffnung der Anti-Aristide-Rebellen weiter verschärft. Die haitianische Übergangsregierung hatte Anfang August angekündigt, dass ab dem 15.September mit Hilfe der internationalen UN-Blauhelmtruppe mit der Entwaffnung der Rebellen und der Anhänger von Ex-Präsident Jean-Bertrand Aristide begonnen werde. Die UNO-Blauhelmtruppe werde die Regierung bei der »Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung« der irregulär Bewaffneten helfen, sagte MINUSTAH-Sprecher Kongo-Doudou. Allerdings hat die internationale Friedenstruppe bisher nur ein Drittel ihrer geplanten Stärke von 6700 Militär- und 2000 Po...

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