»Welche Sünde habe ich begangen?«

Schwere Unruhen in Katmandu nach Mord an 12 nepalischen Geiseln in Irak

  • Hilmar König, Delhi
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach dem Mord an zwölf nepalesischen Geiseln in Irak ist es in Katmandu zu schweren Unruhen gekommen. Demonstranten skandierten Parolen gegen Irak und gegen die Regierung Nepals, der sie vorwarfen, sich nicht ausreichend um die Freilassung der Geiseln bemüht zu haben
Die Regierung in Katmandu sprach nach der Bluttat in Irak von einem »Augenblick nationaler Verzweiflung«, während tausende Demonstranten ihrem Zorn in der Hauptstadt Luft machten. Bei Straßenschlachten zwischen meist jugendlichen Demonstranten und der Polizei in der nepalesischen Hauptstadt wurden nach Angaben aus Krankenhäusern bis zu 100 Menschen verletzt. Am Nachmittag wurde eine Ausgangssperre verhängt, ausländische Touristen wurden angewiesen, in ihren Hotels zu bleiben. Randalierer hatten zuvor unter anderem die größte Moschee der Stadt und ein muslimisches Gemeindezentrum geplündert und in Brand gesteckt. Am Vortag hatten arabische TV-Kanäle Videoaufnahmen von der Hinrichtung der 12 nepalischen Arbeiter gezeigt. Die jungen Männer waren am 19. August entführt worden - kurz nachdem sie aus Jordanien kommend irakisches Gebiet betraten. Es handelte sich um Köche, Reinigungskräfte und Bauhelfer. Die militante Gruppe Ansar al-Sunna, die Verbindungen zu Al Qaida unterhalten soll, erklärte sich für das Verbrechen verantwortlich. In einer Stellungnahme bezichtigte sie ihre Opfer der Kollaboration mit Washington und schwor, den Kampf gegen die irakische Interimsregierung bis zum letzten Mann fortzusetzen. Das Kabinett in Katmandu war noch am Dienstag zu einer Sondersitzung zusammengetreten, um die prekäre Situation zu beraten. Die Regierung hatte versucht, über den irakischen Sunniten-Führer Sheikh Ahmed Abdul Ghafur Kontakt zu den Kidnappern aufzunehmen. Das gelang nicht. Die Entführer stellten auch keinerlei Forderungen. So stand die Regierung vor einer schier unlösbaren Aufgabe. Schließlich blieb Außenminister Prakash Sharan Mahat nur noch, eine offizielle Erklärung zu verlesen: »Dieser barbarische Akt von Terrorismus, verübt an unschuldigen Zivilisten, ohne Bedingungen für ihre Freilassung zu nennen, offenbart einen Mangel an minimalem Verständnis für die menschliche Zivilisation.« Während die Minister noch berieten, formierten sich in den Straßen Katmandus schon die ersten Demonstranten. Sie verurteilten die Ermordung der 12 Männer scharf, forderten den Rücktritt von Premier Sher Bahadur Deuba »wegen moralischen Versagens« gefordert und verlangten eine Untersuchung des Treibens der Agenturen, die Jobs in der Golfregion vermitteln. Die 12 Geiseln waren für jordanische Firmen rekrutiert worden, am Ende aber in Irak gelandet. Offiziell hat die Deuba-Regierung die Rekrutierung von Arbeitskräften für Irak untersagt, obwohl in der britischen Armee traditionell nepalische Gurkhas dienen und angeblich auch in Basra eingesetzt sind. Insgesamt wird die Zahl der in Irak tätigen nepalischen Arbeitskräfte auf 17000 geschätzt. 35000 warten auf ihre Einreise in die Golfstaaten. Tausende von ihnen sind im indischen Mumbai (Bombay) gestrandet, da die Regierung in Delhi seit einiger Zeit die Ausreise in diese Region strikt überwacht. Seit 21. Juli befanden sich drei indische Lkw-Fahrer zusammen mit drei kenianischen und einem ägyptischen Kollegen, die von einer kuwaitischen Firma eingestellt worden waren, in irakischer Geiselhaft. Sie wurden gestern freigelassen In den nepalischen Dörfern, aus denen die 12 Ermordeten stammen, sind die Einwohner geschockt. Aus fast jeder Familie arbeitet hier, wo die Armut am größten ist, jemand im Ausland. Unter Tränen berichtete die Mutter des 19 Jahre alten Ramesh Khatka, der unter den Toten ist: »Mein Sohn verdiente hier in einem Restaurant 3000 Rupien im Monat. Im Ausland sollte er einen Lohn von 50000 Rupien bekommen. Die erste Überweisung wollte er im nächsten Monat schicken. Nun haben sie ihn ermordet. Welche Sünde habe ich begangen, dass ich so bestraft werde?«
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