Hartz im rot-grünen Getriebe

Dämpfer für das »Wir-Gefühl« der Grünen wie der Regierungskoalition

  • Lesedauer: 3 Min.
Die Grünen im Bundestag versammeln sich in Bad Saarow zur Klausur - begleitet von Misstönen - in der Fraktion, aber auch in der Koalition.
Berlin (ND-Kalbe). Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt sah sich am Mittwoch kritischen Fragen ausgesetzt. Nein, die Grünen duckten sich »natürlich nicht weg«, die Reformen seien von SPD und Grünen gemeinsam auf den Weg gebracht. »Wir werden sie auch gemeinsam zu vertreten haben.« Seit einiger Zeit schon müssen sich die Grünen Vorwürfe von Genossen gefallen lassen, sie sähen zu, wie der Koalitionspartner die Wählerschelte für beide kassiert. Und sie beginnen Nerven zu zeigen. Ko-Fraktionschefin Krista Sager warf den Ball zurück. »Einiges, was ich da aus der SPD höre, ist keine besonders intelligente Form zur Stärkung des Wir-Gefühls«, sagte sie dem »Hamburger Abendblatt«. Innere Geschlossenheit sei hingegen ein grünes Erfolgsrezept. Eine Erfahrung erst der letzten Jahre, die die Regierungsgrünen sichtlich genießen. Doch die Geschlossenheit zeigt Risse. Die Montagsdemonstrationen wirken als Katalysator des schlummernden Widerspruchs. Als der Bundestag im Dezember letzten Jahres über das Arbeitsmarktgesetz Hartz IV abstimmte, fand es nicht mehr die Zustimmung aller Abgeordneten, die dem ersten Entwurf - teilweise zähneknirschend - noch zugestimmt hatten. Die Union hatte im Vermittlungsverfahren weitere Verschärfungen durchgesetzt, weshalb sechs Sozialdemokraten und ebenso viele Grüne nun mit Nein votierten. Anders als noch im Oktober, als die einzige Enthaltung aus dem Lager der Regierungskoalition - die des Grünen Werner Schulz - für helle Aufregung sorgte, drückten die rot-grünen Koalitionäre in vorweihnachtlicher Großzügigkeit aber beide Augen zu. Die Mehrheit war ja dank der großen Zustimmung aus der rechten Opposition sicher. Dass das Bauchgrimmen der internen Hartz-Kritiker nicht verschwunden ist, zeigen nun Stellungnahmen im Vorfeld der Fraktionsklausur der Grünen, die am Mittwoch in Bad Saarow begann. Am weitesten wagte sich erneut Werner Schulz vor, der nicht nur die Montagsdemonstrationen als gerechtfertigt verteidigt, sondern gegenüber der »Sächsischen Zeitung« forsch formuliert: »Mit Hartz IV kommen wir nicht weiter«. Und bringt die eigene Fraktionsspitze ungerührt in die Bredouille: Die solidarische Gesellschaft sei »momentan mehr denn je bedroht«. Auch Peter Hettlich sieht eine »Gerechtigkeitslücke«, die beseitigt werden müsse. Wer über 30 Jahre Beiträge eingezahlt habe, könne nicht mit zwölf Monaten abgespeist werden, brach er eine Lanze für ältere Arbeitslose. Auch beim Schonvermögen seien die Grenzen zu niedrig angesetzt. Dass Nachbesserungen jedoch eher eine Illusion sind, machte SPD-Chef Franz Müntefering am gleichen Tag zum Auftakt der parallelen SPD-Fraktionsklausur in Berlin deutlich. Jetzt müsse gekämpft werden, um die gefassten Beschlüsse umzusetzen. Wie Hettlich stimmte zuletzt auch Fraktionsvize Christian Ströbele gegen Hartz IV. Erneut gehört auch er jetzt zu den Kritikern und verlangt eine Korrektur der »58er Regelung«. Das Versprechen auf unverminderte Bezüge dürfe nicht gebrochen werden. Und wieder einmal ist er es, der das Fass zum Überlaufen bringt. Müntefering, der den Grünen ansonsten sein Vertrauen aussprach, sprach von »Irritationen« über Ströbeles Teilnahme an Demonstrationen gegen Hartz.
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