Am Grenzzaun verteuert sich Gas

Steigende Importpreise rechtfertigen die aktuellen Aufschläge nicht

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 2 Min.
Bisher stand die deutsche Erdgasbranche weniger im Rampenlicht. Das könnte sich mit den jüngsten umstrittenen Preisanhebungen ändern.
Fahrer von Erdgas-Autos können sich an diesem Samstag in ganz Mecklenburg-Vorpommern freuen: Die 19 Erdgastankstellen des Bundeslandes laden von 10 bis 19 Uhr zum kostenlosen Auffüllen ein, teilte der Initiativkreis »Erdgasfahrzeuge« gestern mit. Möglicherweise schauen sich die etablierten Gasversorger bald etwas von dieser Publicity-Aktion ab. Denn die jüngste Preisdebatte sorgt nicht nur für verärgerte Kunden, sie sorgt auch für nicht gekannte Transparenz bei den Erdgaspreisen. Bislang gab das Erdgas den Stoff für erfolgreiche Unternehmergeschichten ab. Der fossile Energieträger ist der mit den höchsten Wachstumsraten. Allein in den letzten zehn Jahren stieg der Verbrauch um fast ein Drittel. Derzeit stagniert der Erdgaseinsatz allerdings zwischen 960 und 970 Milliarden Kilowattstunden jährlich. Fester Trend ist nur, dass der Anteil des importierten Erdgases stetig zunimmt. 2003 wurden 82 Prozent des Rohstoffes eingeführt, ein Drittel davon stammte aus Russland, es folgten Norwegen und die Niederlande. Während noch in den 90er Jahren Erdgas als vergleichsweise billig galt, zogen auf Grund der weltweit wachsenden Energienachfrage und des Auslaufens alter langfristige Lieferverträge gerade in den letzten Jahren auch die Importpreise an (siehe Grafik). Den Löwenanteil beim Gaspreis kassieren jedoch - wie beim Öl auch - nicht die Förderländer, sondern die einheimischen Unternehmen. Ende 2002 lag der Grenzübergangspreis nach Angaben des Ferngasunternehmens VNG bei knapp unter 1,20 Cent je Kilowattstunde, das sind etwa 14 Eurocent für den Kubikmeter. Beim Endverbraucher, der Gas zum Heizen oder Kochen einsetzt, kosten 1400 Kilowattstunden Erdgas zwischen 150 und 160 Euro. Die Kilowattstunde kommt dem Kunden also um die 11 Cent zu stehen, der Kubikmeter Gas zwischen 120 und 130 Cent - wobei das in der Branche übliche Tarifwirrwarr zwischen Verbrauchs-, Grund-, Basis- und Tarifpreisen solche Berechnungen nicht ohne Grund zusätzlich erschwert. Die Proportionen aber sind klar: Von der Förderstätte in Sibirien oder der Nordsee sind es tausende Kilometer bis zur Grenze. Auf den letzten paar hundert Kilometern bis zum Endverbraucher verzehnfacht sich der Preis des Rohstoffs nahezu. Selbst wenn man die zuletzt gestiegenen Einkaufspreise in Rechnung stellt, rechtfertigen sie auch nach Ansicht des Bundes der Energieverbraucher (BEV) niemals die angekündigten Preisaufschläge von 7 bis 12 Prozent. BEV-Vorsitzender Aribert Peters riet Verbrauchern, sie sollten lediglich den Gaspreis in bisherigen Höhe entrichten plus einer Preiserhöhung von höchstens zwei Prozent. »Darüber hinausgehende Zahlungen sind nicht gerechtfertigt und brauchen nicht gezahlt zu werden«, meinte der Verband. Ob er sich mit dieser Auffassung aber auch vor Gericht durchsetzt, darf eher bezweifelt werden.
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