Jens Fiedler nimmt Abschied

Ab heute Bahn-Meisterschaften in Leipzig mit Fiedler und Lehmann / Bartko und Becke fehlen

Elf Tage nach ihrer Goldfahrt auf dem olympischen Velodrom treten die Teamsprinter Jens Fiedler, Stefan Nimke und René Wolff in Leipzig an. Heute beginnen hier die 118. Deutschen Bahnrad-Meisterschaften auf der Leipziger Radrennbahn, die am späten Sonnabend mit dem Steherrennen um den »55. Internationalen Messepreis« beendet werden.
Für den 34-Jährigen Jens Fiedler ist bei diesem Saisonabschluss gleichzeitig der Moment des Abschieds nach einer großen Karriere gekommen. Der Wettkampf auf der Radrennbahn Leipzig - früher die Alfred-Rosch-Kampfbahn - ist sein letzter Titelkampf vor der Sechs-Tage-Rennen-Saison im Winter, nach der er endgültig abtreten wird. Drei Olympiasiege, davon zwei im Einzelsprint (1992, 1996) sowie der im Teamsprint 2004, dazu vier Weltmeistertitel - mit Fiedler tritt einer der ganz Großen des deutschen Radsports ab.
Auch wenn es ihm schwer fällt, der Sprinterstar weiß, dass die Zeit für ihn gekommen ist, Lebewohl zum Radsport zu sagen. »Meine Gefühle beim Abschied sind gemischt«, sagte Fiedler gestern gegenüber ND. »Irgendwann ist man natürlich froh, wenn eine so lange Karriere auch mal zu Ende ist. Aber andererseits ist es traurig, weil der Radsport so viele Jahre meines Lebens bestimmte.« Doch sein Entschluss steht fest.
23 nationale Meistertitel hat Fiedler bisher gesammelt, die meisten im Einzelsprint und im Keirin. Seine Motivation für die deutschen Meisterschaften scheint nach dem dritten Olympiagold nicht mehr die allergrößte zu sein: Auf der Radrennbahn in Kleinzschocher wird der stets gut gelaunte Chemnitzer jedenfalls nicht mehr bei seiner Spezialdisziplin, dem Einzelsprint, zu erleben sein: »Ich fahre nur im Teamsprint mit meinen Kollegen Carsten Bergemann und Stefan Nimke.« Das Trio will für das Chemnitzer XXL-erdgas-Team am Sonnabend den Titel zurückholen, den ihnen die Erfurter René Wolff, Matthias John und Michael Seidenbecher im Vorjahr vor der Nase weggeschnappt hatten.
»Eigentlich wollte ich hier gar nicht mehr starten«, verriet Fiedler. Aber schließlich steht er in der Verantwortung. Ein Meistertitel kann der XXL-Equipe bei der Sponsorensuche helfen, und Fiedler ist Mitgesellschafter des Teams. Im nächsten Jahr wird er »sicher geschäftsführende Aufgaben übernehmen«. Seine Zukunft sieht er im Sportmanagement: »Eindeutig!«
Auch einer Verbandskarriere steht er nicht abgeneigt gegenüber. »Ich könnte mir gut vorstellen, beim BDR Aufgaben zu übernehmen.« In den nächsten Tagen soll es Gespräche mit dem Bund Deutscher Radfahrer geben. Der umstrittene Verband könnte mit einem beliebten Mann wie Jens Fiedler sicherlich in der Öffentlichkeit punkten.
Fiedler jedenfalls kennt keinen Respekt vor großen Aufgaben. Er könnte sich sogar eine Karriere in der Politik vorstellen: »Die Stadt Erfurt hat so viel für mich getan, ich würde ihr gerne etwas zurückgeben.« Ist er etwa schon Mitglied einer Partei? »Nein. Aber es gab schon Gespräche.« Mit welcher? »Das verrate ich ihnen nicht«, sagt Fiedler lachend. »Noch nicht.«
In jedem Fall schließt sich ein Kreis, wenn Fiedler morgen mit seinen Kollegen an die Startlinie rollt. »Hier begann meine Karriere. 1981 bin ich hier meine ersten internationalen Rennen gefahren«, sagt Fiedler.
Sein Radsportkollege Jens Lehmann ist schon Politiker. Der Bahn-Ausdauerspezialist sitzt für die CDU im Leipziger Stadtrat. Lehmann fährt an diesem Wochenende vielleicht ebenfalls eines seiner letzten Rennen, in seiner Heimatstadt. Jedenfalls hat der Doppel-Olympiasieger 2004 zu seinem Abschiedsjahr erklärt. Eigentlich sollte der Höhepunkt ja Olympia sein, aber der BDR nominierte ihn nach Hin und Her (ND vom 28.7.) nicht.
Bis gestern war noch nicht sicher, ob Lehmann in der Einzelverfolgung über 4000 Meter antritt. »Gemeldet ist er«, sagte Wolfgang Schoppe vom gastgebenden Sächsischen Radfahrer-Bund. »Und am Mittwoch hat er auf der Bahn fleißig seine Runden gedreht«
Allerdings wird es nicht zu einer Revanche mit dem bei Olympia nur auf Platz acht gelandeten Robert Bartko aus Berlin - mit ihm ist Lehmann seit der WM 2003 in Stuttgart im Zwist - und dem ebenfalls nicht nach Athen entsendeten Daniel Becke aus Erfurt kommen. Becke und Bartko, die beiden besten deutschen Einzelverfolger in diesem Jahr, müssen für ihre Profi-Teams starten. So bleibt dem 36-jährigen Lehmann die Chance versagt, im direkten Duell zu beweisen, dass er nicht nur als Eurosport-Co-Kommentator nach Athen gehört hätte.
Teamsprint-Olympiasieger Stefan Nimke versucht sich bei der deutschen Meisterschaft im Einzelsprint. Seine Spezialdisziplin, das 1000-m-Zeitfahren (hier wurde er 2003 Weltmeister, in Athen holte er Bronze) lässt er aus. »Es kann sogar sein, dass Stefan nie wieder den Kilometer fährt«, verriet Bernhard Bock vom XXL-Team. Im Sprint, dessen Finale am Sonnabend stattfindet, muss sich der Schweriner mit seinem Gold-Kollegen René Wolff messen wie auch mit Ex-Weltmeister Jan van Eijden.
Insgesamt haben 94 Fahrerinnen und Fahrer gemeldet, neben den Olympiasiegern auch Bronzemedaillengewinner Guido Fulst. Bei den Frauen werden die Olympiastarterinnen um Katrin Meinke versuchen, die schwachen Auftritte in Griechenland vergessen zu machen. 1500 Zuschauer erwarten die Veranstalter an der Bahn.


Zeitplan

Heute: 16 Uhr: 1000 m Zeitfahren Männer; Vorkämpfe ab 11 Uhr.
Freitag: 16 Uhr: Verfolgung, Frauen und Männer, Sprint Frauen, Keirin und Punktefahren Männer; Vorkämpfe ab 10 Uhr.
Sonnabend: 16 Uhr: Sprint und Zweier-Mannschaft Männer, Punktefahren Frauen, Keirin Frauen, Teamsprint und Mannschaftsverfolgung Männer; Vorkämpfe ab 14 Uhr. 18.30 Uhr: Internationales Steher-Rennen um den »55. Großen Messepreis«.

TV: MDR und ZDF in Zusammenfassungen. Eintrittspreise: 4 bis 7 Euro.
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