Rot-Grün beschließt Mini-Korrektur bei Hartz IV

Arbeitgeber sehen Jobs gefährdet/DGB-Vizechefin drängt im ND-Interview auf weitere Änderungen

Die Bundesregierung hat die nach heftigen Protesten zugesagten kleineren Korrekturen bei der Arbeitsmarktreform gestern auf den Weg gebracht. Den Arbeitgebern gehen diese allerdings viel zu weit. Der DGB will bei einem Gespräch mit dem Kanzler weitere Änderungen erreichen.

Berlin (ND-Witt/Agenturen). Das Bundeskabinett gab grünes Licht für von der Koalition beschlossene Änderungen an Hartz IV. Die Ministerrunde billigte am Mittwoch in Berlin einen entsprechenden Gesetzentwurf, wie das Bundeswirtschaftsministerium mitteilte. Darin wird unter anderem der erhöhte Vermögensfreibetrag für Kinder von Arbeitslosengeld (ALG)-II-Beziehern geregelt. Betroffenen Kindern steht ab 2005 bereits ab Geburt ein Freibetrag von 4100 Euro zur Verfügung. Der lange strittige Auszahlungstermin für das ALG II wurde gesetzlich nicht neu geregelt. Der Grund: Die von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) vertretene Fünf-Tage-Anrechnungsregel, bei der viele Betroffene erst im Februar 2005 erstmals ALG II erhalten hätten, war nicht Teil des Hartz-IV-Gesetzes, sondern einer geplanten Extra-Verordnung. Diese kommt jetzt nicht. Damit ist klar: Das ALG wird im ersten Monat, in dem der Bezieher Anspruch auf die Leistung hat, auch gezahlt. Das bestätigte auch das Ministerium gegenüber ND. Ferner sieht der Gesetzentwurf vor, die Förderung einer »Ich-AG« durch die Arbeitsämter von der Vorlage einer »Tragfähigkeitsbescheinigung« abhängig zu machen. Damit solle Missbrauch vorgebeugt und Gründern »eine größere Sicherheit für die Umsetzung ihrer Geschäftsidee« gegeben werden. Angesichts der Änderungen bei Hartz IV sieht der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Dieter Hundt, den Reformkurs der Bundesregierung »mächtig ins Schlingern gekommen«. Gestern bezeichnete er auf einer Pressekonferenz in Berlin die Änderungen bei der Auszahlung des ALG II als »systemwidrig«. In der Gesundheitsreform drohe mit dem Verbleiben des Zahnersatzes in der paritätischen Finanzierung die »nächste Rolle rückwärts«. Der Arbeitgeberchef warf der Bundesregierung vor, ihr »Zickzack-Kurs« würde Arbeitsplätze in Deutschland gefährden. So seien die mehrfachen Änderungen bei den Auszahlungsmodalitäten abweichend von der Bedürftigkeit der Bezieher von ALG II beschlossen worden. »Die neue Linie in der Regierungskoalition scheint Reformstopp zu sein«, meinte Hundt. Er warnte davor, Hartz IV weiter aufzuschnüren und mit Forderungen nach staatlichen Mindestlöhnen zu verbinden. »Mindestlöhne führen in die Irre«, erklärte der BDA-Präsident. Jeder Arbeitslose müsse so weit wie möglich für sich selbst und seine Familie aufkommen und jede Chance auf Arbeit, einschließlich Teilzeitarbeit oder Mini-Job, nutzen, forderte Hundt weiter. Wer keine Arbeit finde und Fürsorge beanspruche, müsse auf jeden Fall eine Gegenleistung in Form von gemeinnütziger Tätigkeit erbringen. Dabei dürfe aber keine reguläre Beschäftigung verdrängt werden. Wie eine solche Verdrängung bei über vier Millionen Arbeitslosen verhindert werden könnte, führte der Arbeitgeberchef allerdings nicht aus. Des weiteren forderte der BDA-Chef die Herausnahme des Zahnersatzes aus der paritätischen Finanzierung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern innerhalb der gesetzlichen Krankenkassen. Damit sollten die Personalzusatzkosten gesenkt und die Finanzierung der Krankheitskosten »ein Stück weit« vom Arbeitsverhältnis abgekoppelt werden. Hundts Forderung hätte zur Konsequenz, dass sich die Bevölkerung für den Zahnersatz künftig auf eigene Rechnung privat versichern müsste. Um Gewerkschaftsforderungen nach weiteren Änderungen am Hartz-IV-Gesetz dürfte es voraussichtlich bei einem erneuten Gespräch von Bundeskanzler Schröder und der DGB-Spitze am kommenden Dienstag gehen. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer sagte in einem ND-Interview, Änderungswünsche gebe es bei den Zumutbarkeitsregeln, den materiellen Leistungen, bei der Anrechnung von Vermögen und beim Vertrauensschutz für ältere Arbeitslose. »Da werden ...

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