Barrierefrei in Läden und Kneipen

Aktion zum behindertengerechten Umbau der Stadt gestartet

  • Wolfgang Rex
  • Lesedauer: 2 Min.
Tatsächlich kamen die Rollstuhlfahrer gestern bei Dussmann auch aus dem Wasserfallkeller. Ein breiter Fahrstuhl nimmt zwei Elektrorollstühle auf. Die ermöglichen den Übergang vom Keller in die oberen Musik- und Buchetagen des »KulturKaufhauses« in der Friedrichstraße. Im Kaufhaus Dussmann starteten gestern der Landesbeauftragte für Behinderte Martin Marquard und Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner die Aktion »Berlin - barrierefrei«. Geschäfte oder Restaurants, Hotels, Theater, Kinos und Bankfilialen können an ihre Türen eine gelbe Plakette ankleben, die als Ausweis für barrierefreies Betreten oder Befahren gilt. Eine Gaststätte sollte eine stufenlos erreichbare Toilette »mit ausreichend großer Bewegungsfläche« haben. Bei Hotels fordert der Kriterienkatalog mindestens ein barrierefreies Zimmer und eine »Nasszelle« ohne Stufen. Von Bankfilialen wird ein barrierefreier Zugang zum Geldautomaten und Kontoauszugsdrucker verlangt. Dass das zuweilen nicht ausreicht, zeigten uns Rollstuhlfahrer vor Automaten. Die Tasten lagen unerreichbar hoch. Auch die für Ausnahmen gewünschte fachkundige Hilfe ist in manchen Bankfilialen unerreichbar, weil Rollstuhlfahrer einfach nicht über die Schwelle kommen. Warum begann die Aktion gerade bei Dussmann in der Friedrichstraße? Martin Marquard erklärte, dass ein zentral gelegenes und bekanntes Objekt für den Start gesucht wurde. Die Geschäftsführung sagte sofort zu. Das Kaufhaus sei stolz darauf, habe ihm die Geschäftsleitung gesagt. Der Landesbehindertenbeauftragte ist selbst Rollstuhlfahrer. Er weiß also, was es heißt, wenn er das Prädikat »Barrierefrei« vergibt. Es bedeute, dass das betreffende Geschäft oder die Gaststätte für alle nutzbar ist, wenn auch »nicht unbedingt immer in allen Teilen oder auch nicht immer ohne fremde Hilfe«. Bei Dussmann würden Hilfen angeboten, beispielsweise stünden Berater für Blinde bereit. Kritiker mögen einwenden, dass Dussmann kostenlose Reklame bekam. Der Nutzen für behinderte Mitbürger dürfte größer sein. In der Friedrichstraße ist Dussmann bisher leider eine Ausnahme. Auf über 100 Anfragen zur Prädikatsvergabe antworteten lediglich fünf Gewerbetreibende der Prachtstraße. Die nächsten Prädikatsübergaben sind im »Stilwerk« in der Kantstraße und in einem Geschäft des Stadtbezirkes Lichtenberg geplant, sagte Marquard. Sozialsenatorin Knake-Werner versprach Hilfe. Es gehe dabei um Menschen- und Bürgerrechte. Die Senatorin dankte dem Behindertenbeauftragten, der Jahr für Jahr mit einem »Verstößebericht« auf Mängel auch beim barrierefreien Bauen hinweise. Mit der Plakette würden Fortschritte im behindertengerechten Bauen öffentlich. Der Behindertenbeauftragte hatte übrigens schon vor zwei Jahren auf Probleme beim teuren Umbau des Olympiastadions hingewiesen. Plätze für Rollstuhlfahrer wurden hinter Fansitzen versteckt. Fans verfolgen Spiele meist stehend. Erst nach lebhaftem Protest der Behindertenverbände wurden die Reihen vor den Rollis geräumt.
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