nd-aktuell.de / 26.01.1996 / Kommentare / Seite 2

Das Schicksal von Prof. Bartsch

Zu „Im Barkas nach Wandlitz“ von Ralf Bachmann („Neue Texte“, 13./14. 7 J.-Ralf Bachmann beschreibt, wie er zu Jahresbeginn 1963 aus der Politbüro-Wohnsiedlung Wandlitz die Meldung von der

Entlassung des Politbüromitgliedes Bartsch abholte. Bachmann behauptet in seinen Memoiren, „daß Bartsch als junger Mann zu den SS-Wachen eines KZ gehört hatte“ Diese Behauptung ist falsch.

Da Professor Karl-Heinz Bartsch, mit dem ich einige Jahre lang zusammenarbeitete, zur Zeit mitten in einem Umzug steckt, bat er mich um Richtigstellung.

Richtig ist, daß Prof. Bartsch nach einer Amtszeit von nur wenigen Tagen als Landwirtschaftsminister und Kandidat des Politbüros (nicht Mitglied, wie Bachmann schreibt) abgelöst wurde, weil er in seinen Kaderunterlagen verschwiegen hatte, daß er als 18 Jahre junger Mann zur SS eingezogen wurde und zunächst in der III. SS-Panzerdivision „Totenkopf' sowie später in der Division der Waffen-SS „Götz von Berlichingen“ am 2. Weltkrieg teilnahm. Karl-Heinz Bartsch diente als Panzerkommandant in der kämpfenden Truppe. Er

ist zu keiner Zeit Mitglied einer KZ-Wachmannschaft gewesen. In seinen Unterlagen hatte er lediglich angegeben, in der kämpfenden Truppe gedient zu haben.

Erst durch Veröffentlichungen einer Westberliner Boulevardzeitung wurde die volle Wahrheit bekannt. In einer Zeit, da die DDR alles daransetzte, ehemalige Mitglieder der NSDAP und Angehörige der SS, die in der Bundesrepublik Karriere gemacht hatten (Oberländer, Globke u. a.) zu entlarven, war es für „Westmedien“ natürlich ein Thema, auch der DDR zu beweisen, daß ehemalige Mitläufer des NS-Regimes auch im „Arbeiter- und Bauernstaat“ entsprechende Karrieren gemacht hatten.

Prof. Bartsch hat nach seiner Entlassung als Landwirtschaftsminister und aus dem Politbüro in der Landwirtschaft gearbeitet. Von 1964 bis 1981 war er Direktor des VEG Tierzucht Woldegk, das sich

unter seiner Leitung von einem Problembetrieb zu einem Spitzenleistungsbetrieb der Rinderzucht der DDR entwickelte. Von 1981 bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1988 war Karl-Heinz Bartsch LPG-Vorsitzender eines Färsenaufzuchtbetriebes.

Wolfram Otto, 17291 Prenzlau