Sie wollen nicht ihre Namen nennen, sich nicht vor der Kamera zeigen. Der Grund: Es ist die Angst, als erste aus Berlin abgeschoben zu werden, wenn die Abschiebewelle beginnt. „Natürlich war uns klar, daß wir eines Tages wieder zurückkehren werden, wir wollen ja auch wieder in unsere Heimat. Aber wo ist sie, unsere Heimat?“ Der Bosnier aus dem Flüchtlingsheim in der Hohenschönhausener Gehrenseestraße, der einige Brocken deutsch spricht, macht die ganze Dramatik seiner Lage deutlich. Die anderen in der Runde nicken zustimmend.
Rund 25 000 Kriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina leben in Berlin. Sie haben ihre Angehörigen verloren, wurden mißhandelt und gequält, ihr Hab und Gut, ihre Unterkunft vernichtet oder wa-
ren auf der Flucht vor dem Soldatsem, wie unser Gesprächspartner Sie stehen in der Mehrheit vor dem Nichts und wissen nicht, was sie in Bosnien erwartet. Deshalb denken sie auch noch nicht an Rückkehr, sondern wollen warten, wie aus einem Friedensschluß auf dem Papier ein tatsächlicher Frieden wird. Sie warten auf Nachrichten von Zuhause, wollen wissen, wann und wie ihre Freunde und Verwandte, die irgendwo in Flüchtlingslagern im eigenen Land stecken, wieder eine gesicherte Heimat finden.
Doch das CDU/SPD-regierte Berlin möchte die ungeliebten Flüchtlinge loswerden, lieber heute als morgen. Und so gehörte es zu den Amtshandlungen des bis gestern amtierenden Berliner Innensenators
Heckelmann nach dem 14. Dezember, dem sogenannten Friedensschluß von Dayton, die Länder auf einen Abschiebekurs gegenüber den Flüchtlingen zu einzuschwören. Erster Schritt: Flüchtlinge aus Bosnien, die nach dem 15. Dezember einreisten, erhalten keine Duldung mehr, obwohl ein Ende des schrecklichen Krieges nicht automatisch mit dem 15. Dezember erfolgte und viele Fluchtgründe unvermindert weiter wirken. Zweiter Innenminister-Beschluß, vom CDU-Senator angeregt: Für Flüchtlinge, die bereits in Deutschland weilen, erlischt am 31. März der Status eines Bürgerkriegsflüchtlings. Heute nun wird in Bonn eigens zu diesem Zwecke eine Sondertagung der Innenminister stattfinden, um die Abschiebepraxis auszuknobeln.
Der Bosnier: „Warum sollen wir länger hierbleiben, als notwendig. Viele Berliner denken, unser Aufenthalt hier ist ein Paradies, wir wollen nur Geld kassieren und hierbleiben. Ich lebe fast zweieinhalb Jahre hier, darf nicht arbeiten. Immer rumsitzen mit den anderen, und immerzu gibt es Spannungen, die Kinder schreien, die Frauen weinen. Ich möchte zurück, wenn ich nicht in den Krieg muß.“
Die Betroffenen zweifeln, daß die Innenminister tatsächlich eine „gestaffelte Rückkehr“ erreichen wollen. Sie verlangen eine Rückführung auf der Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention, der UNO-Beschlüsse und der Freiwilligkeit. Nur so könne eine humane Regelung erreicht werden.
PETER KIRSCHEY
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/592147.fuer-fluechtlinge-ist-bald-kein-platz-mehr.html