nd-aktuell.de / 13.02.1996 / Kultur / Seite 11

Kunst oder Kitsch?

Die Experten sind sich nicht sicher, ob Porzellan aus Suhl eher der Kunst oder doch eher dem Kitsch zuzuordnen ist. „Als ich das erste Mal in unser Magazin schaute, habe ich auch gestöhnt“, gibt die Leiterin des Suhler Waffenmuseums, Elisabeth Krämer, zu. Zu einem endgültigen Ergebnis ist sie nicht gekommen; als zeitgenössische Strömung und wirtschaftsgeschichtlichen Fakt ordnet sie die Gründerzeitexponate in jedem Fall ein. Zur Erinnerung an den 90. Todestag des Porzellanfabrikanten Leberecht Reinhold Schlegelmilch präsentiert das Museum in den kommenden acht Wochen etwa 20 Prachtstücke der Suhler Porzellanzeit.

Zwar ist der sogenannte Porzellan-Scherben sehr fein und transparent, dafür harmonie-

ren Form und Dekor eher selten. Schwülstige Abziehbild-Allegorien auf dem Porzellan sind mit handgemalten Rändern umgeben. Kitsch ist aber Geschmacksache, und gerade in Amerika gibt es keine Berührungsängste. Bei Auktionen überbieten sich die Sammler dort mit Höchstpreisen. 12 000 Dollar werden für eine mittelgroße Amphore bezahlt. Mehrere Bildbände und historische Abhandlungen wurden in englischer Sprache publiziert.

Grund für den Suhl-Boom in den Staaten: die Schlegelmilchs produzierten zwischen 1861 und 1937 vorwiegend für den Export. Das meiste ging in die USA, nach Kanada und in englische Kolonien. „Suhler Porzellan ist in Amerika zum Symbol der Erinnerung an die Generation der Großeltern ge-

worden , berichtet Frau Krämer

In den Vereinigten Staaten hat Porzellan aus Suhl einen größeren Bekanntheitsgrad als die berühmten Stücke aus Meißen. Seit 1985 gibt es dort die International Association of R.S. Prussia Collectors - ein Sammlerclub mit 1000 Mitgliedern, der sich auf Gebrauchs-und Zierporzellan der drei Schlegelmilch-Fabriken (Erdmann, Reinhold und Karl Schlegelmilch) aus Suhl spezialisiert hat. Auf dem europäischen Markt spielt Schlegelmilch-Porzellan jedoch gar keine Rolle, und in Suhl selbst stehen massenhaft Stücke vergessen in alten Schränken und auf Dachböden. 300 Stücke besitzt das Waffenmuseum.

ddpADN/ND