nd-aktuell.de / 17.02.1996 / Kommentare / Seite 10

Frieden von rechts?

Günther Nenning (ND vom 20. Januar, „Papa Krieg ist guter Dinge“) “kritisiert den Pazifismus im wesentlichen von ganz weit rechts: Er fordert von der Friedensbewegung „Verständnis“ gegenüber laufenden „Militäraktionen“ des Westens. ?

Es gäbe ein „wachsend aggressiveres Rußland“, dem die USA doch nicht das „einst insgesamt zur US-Sphäre gehörende“ Jugoslawien überlassen könnten, meint Nenning. Right! Haben doch die Russen und ihre Verbündeten bekanntlich wochenlang die Moslems bombardiert, erzwingen sie jetzt doch eine de-facto-Vertreibung der meisten muslimischen Bewohner aus Sarajevo, gibt es doch einen material-intensiven Truppenaufmarsch von 20 000 russischen Soldaten mit klarem Kampfauftrag und ebenso klarem Feindbild. Soviel zur russischen Aggressivität.

Ja, und daß Titos lupenrein kapitalistisches Jugoslawien insbesondere als führendes Mitglied der blockfreien-Bewegung sich zum bloßen „Satrapen der USA“ (Nenning) machte, und etwa bei solchen

Fragen wie Indochina, Palästina, Chile, Nicaragua oder El Salvador stets unter Beweis stellte, daß es zur US-Sphäre gehörte, ist doch wohl eine unbestreitbare Geschichtstatsache.

Gewiß ist auch der Jugoslawien-Krieg ein Völker-Mord. Aber er ist gerade nicht, was der Begriff „Völkermord“ nach allgemeinem Sprachverständnis impliziert, nämlich ein ein-

Aus „Das dicke Büttner-Buch , Eulenspiegel-Verlag 1995

seitig stattfindender Vorgang, bei dem eine betroffene ethnische, religiöse oder soziale Gruppe ganz oder teilweise gezielt ausgerottet wird.

Es ist diese in vielen Bürgerkriegen zu verzeichnende zusätzliche, über die .notwendige' Kriegsgrausamkeit hinausgehende Brutalität, wie sie z. B. auch bei Ausbruch des

spanischen Bürgerkrieges ganz massiv stattfand - und die die Kriegstreiber dann so gezielt als „Völkermord“ hinstellten (nur der Serben natürlich, denn bei einem „Völkermord“ kann ja nur eine Seite Täter sein). Nach dieser Logik wäre übrigens auch der Spanische Bürgerkrieg ein „Völkermord“ gewesen - und der Einsatz der Legion Condor womöglich noch eine Maßnahme zur Beendigung des damaligen Völkermords“ bzw des „Mordens“

Nennings fragende Aufforderung „Schaff mal Frieden in Bosnien ohne NATO-Waffen!“ lautet richtig gestellt so: „Führ mal Krieg in Bosnien ohne NA-TO-Waffen“ Denn die NATO-Waffen waren von Anfang an auch in Bosnien dabei: diplomatische, ökonomische, politische, verdeckt militärische, schließlich offen militärische. Ohne diese Waffen wäre der Krieg im ehemaligen Bosnien-Herzegowina spätestens im Spätsommer 1992 beendet gewesen - wenn er denn ohne diese Waffen wirklich überhaupt erst ausgebrochen wäre!

BEATRICE WINTERHALTER, Berlin