nd-aktuell.de / 19.02.1996 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 8

„Tier des Jahres“ ist nützlich

Hilfskampagnen sensibilisieren die Öffentlichkeit

Von WERNER KOEP

Wenn im Naturschutz von Inflation gesprochen wird, klingt das sonderbar - und ist es auch. Gemeint sind die alljährlich benannten Natursymbole: Tier des Jahres, Vogel, Fisch, Blume, Heilpflanze, Orchidee, Pilz, Baum, Landschaft und der Biotop des Jahres, wozu 1996 der Bach ausgewählt wurde. Das ist in der Tat eine stattliche Liste. Und doch hat jedes dieser Symbole, das für eine gefährdete Tier- oder Pflanzenart oder einen bedrohten Lebensraum steht, seine Berechtigung.

Die seit 1992 gewählten Tiere des Jahres sind Beweis hierfür. Das erste - die Fledermaus - steht mit allen ihrer 22 Arten in der Roten Liste, die meisten unter „Vom Aussterben bedroht“ Als dies durch die Benennung in die Öffentlichkeit getragen wurde, gab es zahlreiche Initiativen zur Hilfe. Dazu gehört auch, daß das Internationale Fledermaus-Sekre-

tariat ab 1. Januar 1996 in Bonn sitzt, um das internationale Schutzabkommen zu überwachen. Die Wildkatzen-Wahl 1993 trug mit dazu bei, daß die scheue Katze mit dem geringelten Schwanz nun wieder weithin in Deutschland zuhause ist - mit fast 2000 Exemplaren. Auf die Isolierung des Rotwildes - Tier des Jahres 1994 - in etwa achtzig Insel-Vorkommen mit der Folge der genetischen yerarmung wurde eine breite Öffentlichkeit aufmerksam und auch darauf, daß das Gebot unserer Tage lauten muß „Wald und Wild“

Dem wunderschönen Apollo-Falter als Jahres-Tier 1995 half es besonders, Natursymbol zu sein. An der Mosel, seinem Hauptvorkommen, wurde für ihn ein Schutzgebiet geschaffen, und nicht nur der schöne Sommer 1995 bewirkte, daß es am ganzen Mosellauf heute wieder mehrere hundert Apollofalter gibt. Schließlich fand die Wahl des Feldhamsters zum Tier des Jahres 1996

schon gleich nach der Bekanntgabe ein ungewöhnliches Echo - nicht nur in den Medien, sondern auch in Schulen und Umweltgruppen.

Ähnlich wie beim Tier des Jahres ist es mit den übrigen Natursymbolen. Sie zeigen auf, was bisher weithin unbekannt war, sie schärfen den Sinn für die Existenznot unserer Natur Beim Naturschutz liegt nach wie vor vieles im argen. 60 von 100 Vogelarten sind in Gefahr, ebenso jede dritte Pilz- und Blütenpflanzenart. Es gibt rund 4900 Schutzgebiete in der Bundesrepublik, die meisten sind jedoch viel zu klein. Seit mehr als 10 Jahren doktert Bonn am Bundesnaturschutzgesetz herum, das „Öko-Sponsoring“ wird angesichts knapper Staatskassen hochgejubelt - so sah Naturschutz in Deutschland am Ende des Europäischen Naturschutzjahres 1995 aus. Von einer Natursymbol-„Inflation“ sollte da nicht gesprochen werden.