nd-aktuell.de / 27.02.1996 / Politik / Seite 2

Menschlichkeit

ANDRZEJ' WAJDA: Kultur verliert ihre nationale Souveränität Foto: dpa

In wenigen Tagen, am 6. März, feiert er seinen 70. Geburtstag: Andrzej Wajda, der polnische Film- und Theaterregisseur An seinem Lebenswerk sind die Widersprüche der sozialen Entwicklung Polens seit mehr als vierzig Jahren abzulesen: von der Überwindung des Erbes von Krieg und Zerstörung hin zur sozialistischen Utopie, zu ersten Zweifeln, die sich

vertieften, zur bewußten Opposition und zum Triumph der neuen, demokratischen „Solidarnosc“-Gesellschaft. Doch schon scheinen neue Zweifel in Wajda aufgekommen zu sein. Nationalismus und Antisemitismus vergiften das politische Klima, der „amerikanische Kulturimperialismus“, so Wajda auf der Berlinale-Pressekonferenz zu seinem Film „Karwoche“, droht den polnischen Film in die Bedeutungslosigkeit zu verdrängen. Sein Zorn und sein Schmerz sind verständlich, wenn wir uns in Erinnerung rufen, daß Wajda einer der Mitbegründer der „polnischen Schule“ der Filmkunst war Ihr gehörten Filmschaffende an, die durch den Krieg und die deutsche Okkupation geprägt waren. Sie glaubten nicht mehr an das plakatierte Heldenbild des „sozialistischen Realismus“, die Ideen des Existentialismus haben sie geprägt. Ihre Helden sind gebrochene Persönlichkeiten, Helden und Opfer zugleich, der wichtigste Schauspieler wird der exzentrische Zbigniew Cybulski. Mit dessen Tod 1967 erleidet Wajda eine Schaffenskrise. Mit „Alles zu verkaufen“ 1969 fängt er sich wieder Seine Filme greifen nun in aktuelle Auseinandersetzungen ein. „Der Mann aus Marmor“ wird 1977 zum ersten Film, der mit dem Stalinismus in Polen politisch konsequent abrechnet.

Die zweite bestimmende Linie in seinem Schaffen, die Geschichte, markieren „Das gelobte Land“, „Danton“ oder „Korczak“ Jetzt stellte er „Karwoche“ vor, einen Film von stiller Menschlichkeit. Wajda wurde nicht nur für diesen Film auf der Berlinale ausgezeichnet. Die Ehrung gelte seinem Lebenswerk, betonte Jurypräsident Nikita Michalkow Kaum einer hat sie so verdient wie Andrzej Wajda.