nd-aktuell.de / 27.02.1996 / Politik / Seite 16

Konstruktionspläne in deutschen Händen

Angaben zu libyscher Chemiewaffenfabrik

Deutsche Geheimdienste besitzen Kopien von Konstruktionsplänen der Chemiewaffenfabrik, die der libysche Revolutionsführer Muammar el Gaddafi 65 km südöstlich von Tripolis bauen läßt. Das wurde der dpa am Montag bestätigt. Experten widersprachen allerdings Einschätzungen, wonach es sich um die „weltweit größte unterirdische Chemiewaffenfabrik der Welt“ handeln soll. Auch träfen Angaben nicht zu, daß die Anlage bereits 1997 fertiggestellt sein könnte.

Seit 1992 sei bekannt, daß diese Fabrik bei Tarhuna errichtet wird. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, es gebe keine Erkenntnisse über die Beteiligung von deutschen Firmen am Bau. Es sei ein Erfolg auch der deutschen Exportkontrollen, daß Gaddafi mit der Errichtung der Fabrikanlagen nicht so schnell vorankomme. Libyen habe wiederholt versucht, Material und Ausstattungsgegenstände in der BRD zu kaufen.

Der Chef des US-Geheimdienstes CIA, John Deutch, hatte Libyen im US-Senat nach Iran, dem Irak und Nordkorea

als größte Bedrohung für die Welt bezeichnet. Es soll seit den frühen 80er Jahren daran arbeiten, biologische und chemische Waffen herzustellen. 1988 wurde Libyen verdächtigt, u. a. mit Hilfe dreier deutscher Firmen bei Rabta Chemiewaffen zu produzieren.. Der Chef einer Firma in Lahr wurde dafür zu einer Haftstrafe verurteilt.

1990 brannte Rabta angeblich ab, doch legten US-Satellitenaufnahmen den Verdacht nahe, daß der Brand nur vorgetäuscht wurde. Nach Angaben von Geheimdiensten wurden in Rabta 100 t C-Waffen hergestellt. Als mögliche Träger soll Libyen nach Zeitungsberichten inzwischen nordkoreanische Scud-Raketen mit einer Reichweite von bis zu 500 km gekauft haben. Libyen weigert sich bisher, eine internationale Vereinbarung über das Verbot von C-Waffen aus dem Jahr 1993 zu unterzeichnen.

Die Botschaft Libyens in Ägypten dementierte gestern den Bau der Fabrik. Die jüngsten Presseberichte seien eine „bösartige Kampagne“, die von den USA ausgehe. dpa/ND