nd-aktuell.de / 09.05.1996 / Kultur / Seite 12

Seine Filme waren „Straßenfeger

Rudi Kurz bei Dreharbeiten 1983 Foto: Archiv

Rudi Kurz wird 75. - Es steht zu befürchten, daß junge Fernsehzuschauer mit diesem Namen nichts mehr anzufangen wissen, aber die älteren werden sich seiner entsinnen, wenn sie mit den Titeln einiger seiner Filme und Serien konfrontiert werden: „Das grüne Ungeheuer“, „Ohne Kampf kein Sieg“, „Hans Beimler, Kamerad“, „Archiv des Todes“, „Front ohne Gnade“, „Der Leutnant vom Schwanenkiez“. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen, denn Rudi Kurz gehörte zu den produktivsten Autoren und Regisseuren des Deutschen Fernsehfunks/Fernsehens der DDR. Seine Filme waren „Straßenfeger“, und wenn einige von ihnen bisweilen mal wiederholt werden, ist der zeitgenössische Betrachter wieder gefesselt^ Rudi, Kurz. .hat Abenteuerfilme gemacht und sich stets dazu bekannt. „Ich sehe meine Filme insofern als Abenteuerfilme und habe nichts, aber auch absolut gar nichts gegen diese Bezeichnung“, sagte er mir vor zehn Jahren in einem Interview, „als alles, was Menschen neu unternehmen, ein Abenteuer ist.“

Seine künstlerische Laufbahn hatte er am Theater in Altenburg begonnen, er führte als' Gast in Weimar und an der Berliner Volksbühne Regie. Fünf bis sechs Inszenierungen im Jahr waren die Norm, bis er für fünf Jahre nach Leipzig ging. „Ich habe alles inszeniert, was es damals am Theater zu inszenieren gab“, erinnerte er sich. Seine künstlerische Handschrift habe er aber an den Klassikern geübt. Seine

Studenten an der Leipziger Theaterhochschule behaupteten, wenn einmal alle Klassiker verlorengingen, könne Kurz sie neu aufschreiben - ein schönes Kompliment für einen Kenner

Schon in seiner Leipziger Theaterzeit sammelte Rudi Kurz seine ersten Filmerfahrungen in der „Stacheltier“-Reihe und drehte die Filmkomödie „Was wäre wenn“ nach Hedda Zinner für die DEFA. 1960 siedelte er nach Berlin über und arbeitete im Deutschen Fernsehfunk. Der Theatermann setzte mehrere Live-Fernsehspiele und den Lustspielfilm „Vielgeliebtes Sternchen“ in Szene. Dann folgten die biographischen Filme über Helden der kommunistischen Bewegung. Auch ,gegenüber dem Begriff des Helden hatte er, keine,.. Berührungsängste, aber er verlangte nach einem ohne Aura, denn: „Als Held wird man nicht geboren, aber es ist im Menschen drin, zum Helden zu werden.“

Was die Filme von Rudi Kurz, trotz der zeitgeschichtlichen Patina, die sie heute angesetzt haben, immer noch sehenswert macht, ist die besondere Haltung ihres Autors

zur Geschichte. Er wollte „Tendenzen entdecken, nicht einer historischen Chronologie folgen“, und er wollte die eigene Geschichte einbringen. „Es ist die Pflicht meiner Generation, das eigene Erleben und die eigenen historischen Erfahrungen weiterzugeben. Wir waren Teilnehmer der Geschichte und haben etwas zu erzählen, auch wenn es antiquiert anmuten mag.“

Vor zehn Jahren zwang die Gesundheit Rudi Kurz, den Beruf des Regisseurs aufzugeben. Seine Maximen und Reflexionen zur Massenkunst sind es wert, hier noch einmal zitiert zu werden, denn mit diesem Begriff wird gerade heute wieder Schindluder getrieben. „Daß in den Massen eine Wirkung zustande kommt, daß in ihnen etwas bewirkt wird“, meinte Kurz von zehn Jahren, denn ,',das ist leider immer suspekt, sehr viele erreichen zu wollen, von der Bibel bis zum modernen Schriftsteller “ - Rudi Kurz hat davor nie zurückgeschreckt. Herzlichen Glückwunsch an einen „fast Vergessenen“, der vieles Bewahrenswerte geschaffen hat.