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Auftraggeber soll Williamson sein

Palme-Mord Spektakuläre Vorwürfe eines Apartheid-Killers Von Carsten Krebs, Kapstadt

  • Lesedauer: 3 Min.

Der südafrikanische Top-Agent Craig Williamson soll 1986 die Ermordung des schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme angeordnet haben.

Diese spektakuläre Aussage machte Eugene de Koc'k Ende vergangener Woche während seines Gerichtsverfahres in Pretoria. Noch ist es nur eine Behauptung des ehemaligen Vlakplaas-Kommandeurs und Chefs der staatlichen Killer-Untergrundorganisation des Apartheidregimes, doch die Anzeichen verdichten sich, daß es mehr sein könnten, als nur die Worte eines Verwirrten.

De Kock machte die sensationelle Aussage am dritten Tag eines Kreuzverhörs eher beiläufig. Nachdem er Ende August im eigentlichen Strafprozeß in 89 Fällen schuldig gesprochen wurde, darunter in sechs Mordfällen, hat er nun selbst den Zeugenstand erklommen und enthüllt seit Ende September täglich neue Grausamkeiten und staatliche Verstrickungen seiner Untergrundeinheit U-10 - in der Hoffnung, sein noch nicht festgelegtes Strafmaß durch Aussagen als Kronzeuge zu senken.

Die völlig überraschten schwedischen

Ermittlungsbehörden bezeichneten die Anschuldigung De Kocks als »frische Spur«. Sie kündigten an, kurzfristig Mitglieder der ermittelnden Palme-Sonderkommission nach Südafrika zu entsenden, um die Vorwürfe vor Ort zu überprüfen. Der schwedische Botschafter in der Kap-Republik forderte zudem von den hiesigen Behörden »erhöhte Anstrengungen, die Ungeheuerlichkeiten« zu untersuchen. Zugleich setzte Stockholm eine Millionen-Rand-Belohnung für weitere Informationen aus, die zur Festnahme des Attentäters führen.

Schwedische Journalisten berichteten unterdessen, daß Craig Williamson seit Mitte der 80er ein Netzwerk von Auslandsspionen in Schweden befehligte. Zugleich bestätigte die dortige Polizei, daß sein Name bereits während der früheren Untersuchungen zur Ermordung Palmes eine Rolle spielte, aber aufgrund fehlender Beweise nicht weiter verfolgt wurde. Der Stockholmer Chefermittler Lars Johnson meinte jetzt, daß Williamson »hinter mehr als nur ein Verbrechen« in Europa vermutet werde.

Bislang konzentrierten sich verschiedene Mordtheorien auf Komplotte radikaler arabischer Organisationen bzw. der PKK, auch Schwedens Polizei und Geheimdienst gerieten in Konspirationsverdacht. Doch bis heute konnte man weder Beweise noch die Identität des Attentäters

oder ein klares Motiv liefern. Das könnte nun aus Südafrika kommen. Denn Palmes sozialdemokratische Regierung war einer der Hauptgeldgeber der sich damals im Exil befindlichen Mitglieder des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) des heutigen Staatspräsidenten “Nelson Mandela. Wenige Wochen vor dem Attentat hielt Palme eine »flammende Rede« gegen das Apartheidregime auf einem ANC-Kongreß in Stockholm.

Zudem ist Williamson kein unbeschriebenes Blatt. Er bestätigte bereits vor der Truth-Commission (»Wahrheitskommission«), die die Grausamkeiten der Apartheid-Vergangenheit aufarbeitet, seine Teilnahme an verschiedenen »schmutzigen Aktionen« gegen ANC-Anhänger. Beide, Williamson und De Kock, werden überdies mit verschiedenen Geheimoperationen gegen Anti-Apartheidaktivisten im Ausland, insbesondere dem Bombenattentat auf das ANC-Hauptquartier in London 1982, in Verbindung gebracht. Der Beschuldigte, der sich zur Zeit geschäftlich in Angola aufhält, wies unterdessen alle Anschuldigungen De Kocks energisch zurück; »Das ist verrückt und völlig absurd.« Bereits vor sechs Jahren habe eine schwedische Zeitung einen ähnlichen Vorwurf erhoben, doch, »wie bereits damals dementiere ich auch heute jede Verwicklung«, ließ Williamsons mitteilen.

De Kock kündigte unterdessen an, er habe »weitere Informationen zum Attentat aus erster Hand«, die er aber vorerst nicht preisgeben werde. »Die Behauptung, mit der Palme-Aussage von meinem Fall ablenken zu wollen, ist absurd«, erwiderte er auf eine kritische Nachfrage des Staatsanwaltes. Der Prozeß wurde vorerst auf den 7. Oktober verschoben, um u. a. altes Belastungsmaterial aus Schweden zu sichten.

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