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Razzia ohne Folgen

Bremer Lavieren bei Angriff auf Pressefreiheit Von Friedrich Siekmeier

  • Lesedauer: 2 Min.

Einer der umfangreichsten staatlichen Eingriffe in die Pressefreiheit in der Bundesrepublik Deutschland bleibt ohne Konsequenzen für den politisch Verantwortlichen, den Bremer Justizsenator Henning Scherf.

Das Bremer Landesparlament hat letzte Woche einen Mißtrauensantrag der Opposition gegen Justizsenator Henning Scherf (SPD) abgelehnt, den Bündnis 90/Die Grünen und die regionale Wählervereinigung AfB gestellt hatten. Die Oppositionsparteien kreiden Scherf an, seine Aufgaben als Justizminister vernachlässigt zu haben, so daß sein Generalstaatsanwalt ungehindert die Durchsuchungen Bremer Redaktionen in die Wege leiten konnte. Eine halbe Hun-

dertschaft Polizisten und mehre Staatsanwälte hatten am 20. August die Redaktionen der Bremer Tageszeitung »Weserkurier« und »Bremer Nachrichten«, der Lokalausgabe der »Tageszeitung« und des Regionalfernsehens sowie drei Privatwohnungen von Journalisten durchschnüffelt, um die Kopie eines belastenden Berichtes des Rechnungshofes zu finden.

Bei der Abstimmung im Landesparlament müssen wenigstens drei Abgeordnete der Regierungsparteien SPD und CDU ihren eigenen Senator, der in Personalunion auch Präsident des Senats (Ministerpräsident des Bundeslandes) ist, das Mißtrauen ausgesprochen haben. Trotzdem erhielt er noch 69 von insgesamt 87 Stimmen und kann im Amt bleiben, ohne daß seine verbal beanspruchte politische Verantwortung für die Durchsuchungen Folgen für ihn hätten.

Scherfs Senatskollege, der Finanzmi-

nister Ulrich Mölle (CDU), hatte zuvor schon verhindert, daß Gerichte die Rechtmäßigkeit der Durchsuchungen überprüfen können. Er beendete das juristische Verfahren, indem er seine notwendige Zustimmung zu weiteren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft verweigerte. Dabei kamen laut kriminaltechnischer Untersuchung die zwei bei Radio Bremen und Weser-Report beschlagnahmten Exemplare des Rechnungshof-Berichts aus dem Finanzressort - Gerüchte nennen einen Parteifreund Mölles aus der Spitze der Behörde als Hauptverdächtigen.

In der Parlamentsdebatte über den Mißtrauensantrag wiederholte Justizsenator Scherf seine Absicht, im Bundesrat eine gesetzliche Initiative zur Verbesserung des Zeugnisverweigerungsrechts für Journalisten und eines sicheren Schutzes von Informanten zu unterstützen. Die CDU hält auch das für überflüssig, wie ihr Landesvorsitzender Bernd Neumann erklärte, der in der Bundespartei auch Stellvertreter des medienpolitischen Sprechers ist. Er, wie auch die wichtigsten Bremer CDU-Funktionäre, hatte zuvor noch heftige Kritik an den Durchsuchungen geübt.

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