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Keine Wende

  • Thomas Ruttig
  • Lesedauer: 2 Min.

In Afghanistan haben die Parteien wieder einmal die Rollen getauscht. Jäger wurden zu Gejagten. Die extrem-islamistischen Taleban. eben noch scheinbar unaufhaltsam auf dem Vormarsch, mußten mehrere Niederlagen seitens der aus Kabul vertriebenen Regierungstruppen hinnehmen.

Ihr Durchmarsch in die letzte liberalere Enklave des Landes, das »Nordreich« des Usbekengenerals Dostam, ist gescheitert. Jetzt sitzen sie in der Hauptstadt und müssen sich verteidigen. Doch von einer (erneuten) Wende im fast 17jährigen Afghanistan-Krieg zu sprechen, wäre voreilig.

Es herrscht ein militärisches Gleichgewicht, das wohl den für Kämpfe ungeeigneten schneereichen Winter überdauern wird. Falls den Ex-Regierungstruppen nicht das Unmögliche gelingt und sie Kabul ebenso schnell zurückerobern, wie sie es vor gut drei Wochen verlassen hatten. Vorerst ist das Land zweigeteilt, in die Gebiete der Taleban und die der Allianz, zu der sich letzte Woche die wichtigsten taleban-feindlichen Gruppen zusammenschlössen.

Die Konstellation ähnelt der von Ende 1979, als sowjetischen Truppen das Land besetzten: Über alles Trennende hinweg einigten sich alle Fraktionen gegen die Bedrohung von außen. Als solche werden die Taleban gesehen, denn hinter ihnen steht eindeutig Pakistan. Eventuell auch Washington bzw. Langley, Virginia, wo sich das Hauptguartier der CIA befindet.

Dafür gibt es, was bei einem Geheimdienst allerdings nicht verwundert, bisher keine Beweise, sondern nur Indizien: Interessen von US-Gesellschaften am Pipelinebau von Mittelasien durch Afghanistan, ein plötzliches Wiedererwachen diplomatischen Engagements Washingtons am Hindukusch, die Option für die

Wiederkehr des ehemaligen Königs, die auch die Taleban nicht ausschließen.

Vor allem aber läßt Washingtons Iran-Feindschaft ein Mitmischen vermuten. Entschlössen sich die GUS-Staaten Mittelasiens, ihr Öl und Gas durch Afghanistan zu exportieren, wäre Teheran ökonomisch ausmanövriert. Politisch wäre für die USA ein taleban-dominiertes Afghanistan, mit dem sie gute Beziehungen unterhalten, eine gute Ausgangsbasisfür verdeckte Aktionen. Die Mittel dafür sind längst bewilligt.

Doch bis das möglich wird, das zeigen die jüngsten Rückschläge, haben die Taleban noch einiges zu tun. Und das Gemetzel und die Leiden der .Bevölkerung gehen weiter.

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