nd-aktuell.de / 15.10.1996 / Politik / Seite 4

? Krenz: Kreml sehr ungehalten über Maueröffnung

Berlin (dpa/ND). Die Sowjetführung war nach Einschätzung des letzten DDR-Staats- und Parteichefs Egon Krenz über die Maueröffnung am 9 November 1989 »sehr beunruhigt und ungehalten«. Krenz erklärte am Montag im Politbüro-Prozeß vor dem Berliner Landgericht, er habe den sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow am Morgen danach telegrafisch beschwichtigt. Er habe mitgeteilt, daß bei Verweigerung der Ausreise schwerwiegende Folgen zu befürchten gewesen wären. Die Sowjetseite habe der DDR vorgeworfen, ihre Interessen verletzt und Befugnisse überschritten zu haben.

Zuvor hatte der frühere DDR-Verteidigungsminister Heinz Keßler ausgesagt, Krenz habe durch sein Verbot des Schuß-

waffeneinsatzes entscheidend dazu beigetragen, daß es zu keinem Blutvergießen gekommen sei. Die brisante Situation sei durch die Verlautbarung des damaligen Politbüromitgliedes und Angeklagten Günter Schabowski zur Reisefreiheit entstanden.