nd-aktuell.de / 15.10.1996 / Politik / Seite 7

Nur einer weiß, wer regieren wird

Neuseeland Ohne Koalition wird es künftig nicht mehr gehen Von Max Watts, Sydney

Neuseeland hat am Sonnabend gewählt, die Stimmen sind ausgezählt, die Sitze verteilt, aber nur einer weiß, wer das Land künftig regieren wird: Winston Peters.

Nu-Karte: Wolfgang Wegener

Winston Peters, Gründer und Chef der Partei New Zealand First (Zuerst Neuseeland), befindet sich nach der Wahl in der Rolle des »Königsmachers«. Verpflichtet Peters die 17 Abgeordneten seiner Partei zu einem Bündnis mit der konservativen National Party (44 Mandate), kann der bisherige Regierungschef Jim Böiger im Amt bleiben. Verständigt sich Peters indessen mit der Herausforderin Helen Clark von der Labour Party (37 Sitze), bekäme das »Land der großen weißen Wolke« erstmals eine Frau zur Premierministerin (siehe »Personalien« Seite 2). Zwar verfügte eine solche Koalition nur über 54 der 120 Parlamentssitze, doch die grün-linke Alliance (13 Abgeordnete) hatte schon vor der Abstimmung angekündigt, eine Labour-Regierung in allen entscheidenden Fragen zu unterstützen. Am Kabinett selbst will sich die Alliance aber nicht beteiligen.

Der nun von zwei Seiten umworbene Peters war im Wahlkampf durch seine Forderungen nach Einwanderungsstopp und nach Begrenzung ausländischer Beteiligungen in »strategischen« Bereichen

aufgefallen. Premier Jim Böiger, der einst dafür gesorgt hatte, daß Peters - ein Nachfahre neuseeländischer Ureinwohner (Maoris) - aus der National Party ausgeschlossen wurde, will ihn jetzt wieder auf seine Seite ziehen. Und der so Umworbene hat auch schon erklärt, es sei »nicht die Zeit, alte Rechnungen zu begleichen«. Doch Beobachter meinen, Peters wolle nur den Preis einer Koalition mit der Labour Party hochtreiben, die er favorisiere. »Ein Bündnis mit den Rechten würde Peters' Partei New Zealand First zerstören«, gab sich beispielsweise ,4//*ance-Sprecher John Pagani in einem ND-Gespräch überzeugt, »der Großteil seiner Wähler,, insbesondere viele Maoris, haben ja gegen die Regierung, gegen den Sozialabbau, gegen die Armut, gestimmt. Die würden ihm nicht nach rechts folgen.«

Pagani zeigte sich enttäuscht darüber, daß Peters der grün-linken Alliance viele Wähler weggenommen hat. Deren Stimmenanteil sank von 18 auf 10 Prozent (dennoch wuchs die Zahl ihrer Sitze dank geänderten Wahlverfahrens von 2 auf 13). »Wir wurden für unsere Ehrlichkeit bestraft. Die Wähler wollten, daß wir schon vor der Wahl einen Pakt mit Labour abschließen. Aber die laöowr-Führung wollte von einer Rückkehr zu linken Positionen nichts wissen, und wir können unsere Prinzipien nicht über Bord werfen. Einen weiteren Ausverkauf der >Labour-Seele< machen wir nicht mit.«

Ins Parlament eingezogen'sind außerdem die rechte Partei Act New Zealand mit acht Abgeordneten und ein Direktkandidat der zentristischen United Party. Doch dürften sie wenig Einfluß auf die komplizierte und gewiß langwierige Regierungsbildung haben.

Ohne Zweifel haben die Neuseeländer gegen die Folgen jener radikalen Wirtschaftsreformen gestimmt, die von einer früheren Z.aöo«r-Regierung eingeleitet und vom konservativen Böiger »vollendet« wurden. Zwar ist Neuseeland dadurch zum Klassenprimus in der Schule des Neoliberalismus geworden, seine Wirtschaft gilt als »geheilt« Von einer bitteren Rezession, doch ist das soziale Netz dabei zerrissen und in den städtischen Armenküchen herrscht Hochbetrieb: Der »enorme« Aufschwung hatte eben auch enorm viele Verlierer.